Die Kantone haben ein grosses volkswirtschaftliches Gewicht. Dieses müssen sie nun in die Waagschale werfen, um die Schäden des erwarteten massiven wirtschaftlichen Einbruchs möglichst in Grenzen zu halten. Dafür bleibt nicht viel Zeit.
Der Bund hat am 20. März mit dem Schnüren umfangreicher Rettungspakete zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise begonnen. Die beschlossenen und zunächst bei Weitem nicht ausreichenden Instrumente wurden seitdem laufend ausgeweitet und die dafür gewährten Mittel aufgestockt. Dennoch muss festgestellt werden: Die vom Bundesrat beschlossenen Milliardenhilfen reichen nicht aus – und dies gilt vor allem für jene Branchen und gesellschaftlichen Bereiche, die mit hohen Einbussen konfrontiert sind und bis jetzt komplett leer ausgegangen sind. So allen voran die familienexterne Kinderbetreuung: Trotz verordneter massiver Betriebseinschränkung, werden die Kitas bis anhin von der öffentlichen Hand im Regen stehen gelassen. Das Gleiche gilt für GeschäftsmieterInnen in jenen Branchen die direkt oder indirekt vom Teilstillstand betroffen sind.
Nun fordern viele – auch die Gewerkschaften – den Bund dazu auf, abermals nachzubessern und die bestehenden Löcher in seinem «Schutzschirm» schnell zu stopfen. Dazu ist es höchste Zeit. In der Pflicht stehen aber ebenso die Kantone, die in der föderalistisch organisierten Schweiz zu Normalzeiten für über 40% der öffentlichen Ausgaben aufkommen (was weit mehr ist als der Bund). Bis heute stellen aber viele Kantonsregierungen de facto auf stur und verweisen auf den Bund: Dieser soll für sämtliche Einnahmeausfälle aufkommen, weil er es ja gewesen sei, der die dafür ursächlichen Notverordnungen erlassen habe.
Föderalismus kann finanziell nicht nur bei schönem Wetter gelten
Dazu bleibt erstens zu sagen, dass wir von Glück reden können, dass der Bund relativ rasch für national einheitliche Regeln und Massnahmen gesorgt hat – angesichts des anfänglich unkontrollierten und schädlichen Flickenteppichs an kantonalen Massnahmen und Vorschriften. Zweitens ist völlig klar, dass die Kantone insbesondere in ihren Kernaufgaben weiterhin in der Pflicht stehen, und dies umso mehr in einer Krise. Allen voran sind das Bildung, Gesundheitsversorgung, Pflege und Betreuung.
Die Kantone stehen aber nicht nur in der Pflicht, sie haben auch die nötigen Mittel und Möglichkeiten für Stützungsmassnahmen. So hat der SGB bereits in seiner letzten Analyse der Kantonsfinanzen aufgezeigt, dass die Kantone zusammen über ein kumuliertes Nettovermögen von 35 Milliarden Franken verfügen. Dieses ist aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung auch im vergangenen Jahr weiter angewachsen, wie eine erste Durchsicht zeigt: So schlossen sämtliche (!) Staatsrechnungen 2019 besser ab als budgetiert, und dies zumeist mit massiven Abweichungen. Dabei ergeben sich kumulierte Ertragsüberschüsse von 3.3 Milliarden (im Vergleich zu budgetierten 510 Millionen), wobei lediglich noch die Rechnung des Tessins ausstehend ist. Die Kantone konnten also im letzten Jahr weitere Mittel beiseite legen, die ihnen nun für effektive Massnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zur Verfügung stehen. Viele Kantone haben nun auch begonnen, diese Mittel zu nutzen. So hat der Kanton Waadt rückwirkend in der Rechnung 2019 über 400 Mio. für wirtschaftliche Stützungsmassnahmen zurückgestellt, der Kanton Basel-Stadt gewährt zusätzliche Überbrückungskredite in der Höhe von 50 Mio. und mehr Hilfe an Selbstständige im Umfang von 20 Mio., und der Kanton Zürich übernimmt 80% der Einnahmeausfälle seiner Kitas – um nur einige Beispiele zu nennen.
Überschüsse abbauen, neue Schulden machen
Die Liste der kantonalen Massnahmen ist lang und vielfältig (der SGB stellt dazu eine stets aktuell gehaltene Übersicht zur Verfügung). Doch angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen – für das Jahr 2020 ist mit dem grössten wirtschaftlichen Einbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu rechnen – hat ein Grossteil dieser Massnahmen fast schon kosmetischen Charakter. Mit ihrem grossen volkswirtschaftlichen Gewicht müssen die Kantone nun dazu beitragen, dass nach dem grossen «Angebotsschock» der temporären Teilschliessung der Wirtschaft nun der «Nachfrageschock» möglichst in Grenzen gehalten wird. Einkommenseinbussen und Stellenverluste an allen Ecken und Enden müssen dafür vermieden werden, ansonsten werden in Kürze auch die Einbussen der kantonalen Haushalte selbst wesentlich massiver ausfallen.
Um den Einbruch zu verhindern bzw. in Grenzen zu halten, reicht es seitens der Kantone auch nicht, auf die grossen angehäuften Überschüsse der letzten Jahre zurückzugreifen. Die Kantone müssen darüber hinaus vielmehr weitere Mittel mobilisieren und sich schlich verschulden wie der Bund. Bei den immer noch – und bis auf Weiteres – gegebenen Negativzinsen gilt dabei im Grundsatz stets, dass sie am Schuldenmachen verdienen! Und dies bei einer schweizweiten Schuldenquote, die immer noch meilenweit entfernt ist von den längst als Makulatur geltenden Maastricht-Kriterien der Europäischen Union (öffentliche Schulden von maximal 60% der Wirtschaftsleistung). Die Kantone müssen ihre Verantwortung jetzt wahrnehmen und zügig handeln.