Die Kritik der "Umverteilung von jung zu alt" in der AHV ist unterkomplex. Eine umfassendere Sichtweise kommt zu einem anderen Schluss

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Blog Daniel Lampart

Eines der Hauptargumente für Rentenaltererhöhungen und Leistungskürzungen in der Altersvorsorge ist, dass eine «Umverteilung von jung zu alt» oder «von Aktiven zu RentnerInnen» stattfinden würde. Warum das Argument in der 2. Säule fragwürdig ist, wurde letzte Woche in einem Blog gezeigt. Doch auch für die AHV ist das Argument unzutreffend – oder unterkomplex, wenn man Freude an diesem Wort hat.

Die AHV finanziert sich grösstenteils aus laufenden Beiträgen. Sie ist immer eine Umverteilung von jung zu alt. Die Frage ist aber, wer für welche Beiträge wie viel Rente erhält. Und wie viel Geld zum Leben bleibt. Das ist das, was interessant und wichtig ist.

Ein grosser Teil der Beiträge sind Lohnprozente – nämlich 4.35 Prozent (oder 8.7 Prozent inkl. Arbeitgeberanteil). Gemessen am heutigen Durchschnittslohn von rund 110'000 Fr. pro Jahr zahlt die Durchschnitts-ArbeitnehmerIn jährlich gegen 4800 Fr. in die AHV. Nach Abzug der AHV bleiben somit rund 105'000 Fr.  

Wie sah das vor 30 Jahren aus? Damals – im Jahr 1990 - lag der Durchschnittslohn bei knapp 84'000 Fr. (zu heutigen Preisen). Der AHV-Beitrag war 4.2 Prozent (bzw. 8.4 Prozent inkl. Arbeitgeberanteil). Das machte rund 3500 Fr. pro Jahr. Der Durchschnitts-ArbeitnehmerIn blieben somit nach AHV-Beiträgen noch etwas mehr als 80'000 Fr. Also knapp ein Viertel weniger als heute.

Dass die Jüngeren heute nach Abzug der AHV viel mehr Geld zum Leben haben, können sie zu einem beträchtlichen Teil der älteren Generation verdanken. Denn die heutigen Rentnerinnen und Rentner haben in ihrer Erwerbsphase viel investiert, was sich auch heute noch auszahlt. Der reale Kapitalstock (Maschinen, Gebäude, F&E, IT u.a.) beträgt heute mehr als 1.7 Bio. Fr. Das sind fast 50 Prozent mehr als 1990. Darin sind die wichtigen Bildungsausgaben noch nicht enthalten. Seit 1990 betragen diese kumuliert fast 1 Bio. Fr. Die heutige, jüngere Generation hat aufgrund der finanziellen Unterstützung der früheren Generation die Möglichkeit, eine ausgezeichnete Ausbildung zu machen - und damit entsprechend Geld zu verdienen.

Was wäre die Situation, wenn die heutigen Rentnerinnen und Rentner ihr Einkommen vor allem konsumiert und bei den Investitionen nur das nötigste gemacht hätten? Nehmen wir einmal an, dass die Produktivität in diesem Fall immer noch auf dem Niveau von 1990 liegen würde. Dann hätten die heutigen Berufstätigen nicht nur viel weniger Lohn. Sondern sie müssten auch mehr in die AHV einzahlen. Der Beitragssatz wäre dann bei 4.8 Prozent (bzw. 9.6 Prozent inkl. Arbeitgeberanteil). Und der Durchschnittslohn nach dem AHV-Beitrag wäre weniger als 80'000 Fr.

Diese Erkenntnisse sind auch im Hinblick auf die künftigen Entscheide in der Altersvorsorge relevant. Je produktiver wir sind, desto mehr bleibt uns zum Leben, wenn wir die AHV-Renten bezahlt haben. Die Investitionen von heute sind einer der wichtigsten Treiber für die Produktivität von morgen. Das sollte in der Politik der Altersvorsorge berücksichtigt werden.

Zuständig beim SGB

Gabriela Medici

stv. Sekretariatsleiterin

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Gabriela Medici
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