Die Schweiz ist international im Hintertreffen: Noch immer kennen wir hierzulande keine digitale Identitätskarte. Eine solche wäre aber nicht nur für die Modernisierung von Behördenprozessen, sondern für eine Vielzahl von alltäglichen Aufgaben und Aktivitäten dringend nötig. Der nun vorliegende (zweite) Entwurf für die Einführung einer vertrauenswürdigen, freiwilligen, zuverlässigen und vor allem nicht kommerzialisierten e-ID verdient unser Vertrauen. Die Gewerkschaften sagen überzeugt Ja zur neuen e-ID.
Demnächst stimmen wir über das "Bundegesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise" ab. Es ist der zweite Versuch von Bundesrat und Parlament für die dringend nötige Einführung einer e-ID. Eine erste Vorlage wurde von der Bevölkerung vor über vier Jahren klar abgelehnt. Zu Recht und zum Glück: Auch die Gewerkschaften hatten sich dazumal stark gegen die Einführung einer privatisierten e-ID eingesetzt, welche schlimmstenfalls unsere persönlichsten Daten in die Hände multinationaler Konzerne gelegt hätte. Bundesrat und Parlament haben aus dieser Abstimmungsniederlage gelernt und eine Neuauflage ausgehandelt, welche nun zur Abstimmung kommt.
Rückstand aufholen und Unsicherheit eindämmen
Absolut zentral im neuen Gesetz ist, dass der Bund alleiniger Herausgeber der e-ID ist und auch die benötigte "Vertrauensinfrastruktur" zur Verfügung stellt. Gemäss dem abgelehnten Gesetz wäre es dem Bund nämlich sogar explizit verboten gewesen, nur schon eine eigene e-ID herauszugeben. Auch die wichtigen Grundsätze der "Datensparsamkeit", der dezentralen Datenspeicherung sowie des "Datenschutzes durch Technik (privacy by design)" werden mit der neuen e-ID befolgt und die Kompatibilität mit den EU-Anforderungen an elektronische Identitätsnachweise kann gewährleistet werden.
Doch wieso braucht es eine e-ID? Im Internet werden heute nicht nur Einkäufe gemacht, Zahlungen abgewickelt oder Krankenkassen-Policen angepasst, auch der Austausch mit den Behörden findet mehr und mehr elektronisch statt. Dabei werden fortwährend sensible personenspezifische Daten verarbeitet und gespeichert. Wo immer das heute in der realen Welt geschieht, müssen wir uns ausweisen: am Päcklischalter, im Zug, am Zoll, bei der Polizei. Digital hat diese Ausweispflicht jedoch grosse Lücken, was dazu führt, dass viele Prozesse nicht sicher ausgestaltet sind und andere elektronisch gar nicht angeboten werden, obwohl dies technisch natürlich überhaupt kein Problem wäre. Meist müssen wir dann einfach unsere ID oder den Pass einscannen und ungesichert per Mail übermitteln, was absolut umständlich und vorzeitlich ist.
Öffentliche Aufgabe und Datensparsamkeit
Den BürgerInnen die Möglichkeit zu geben, ihre Identität zu bestätigen, ist eine grundlegende Aufgabe des Staates. Es ist höchste Zeit, dass er diese Aufgabe auch in der digitalen Welt übernimmt. Wir haben nun einen Entwurf für einen digitalen öffentlichen Identifikationsdienst vorliegen, der dem Gemeinwohl und nicht den privaten Profiten dient. Eine öffentliche, dezentrale und nicht rückverfolgbare e-ID ist eine unverzichtbare Infrastruktur, die es uns ermöglicht, die Kontrolle über unsere Daten zu behalten. Anstatt an ausländische Server gesendet zu werden, sind unsere Daten dezentral in einer vom Staat bereitgestellten Smartphone-Applikation gespeichert. Diese garantiert uns auch die Freiheit, selbst zu kontrollieren, welche Daten wir weitergeben wollen: Bei einer Weinbestellung im Internet reicht das Ausweisen der Volljährigkeit; weder das genaue Geburtsdatum noch der Zivilstand sind dafür vonnöten. Die e-ID ermöglicht dies dadurch, dass die übermittelten Daten stets auf ein Minimum reduziert werden.
Es geht nicht um digitale Prozesse, sondern um das reale Leben
Die Einführung e-ID ist auch eine dringende benötigte Grundvoraussetzung für eine Vielzahl von wichtigen Digitalisierungsprojekten im öffentlichen Bereich. Zum Beispiel konnte das von der Bevölkerung vor über drei Jahren beschlossene neue Organspende-Register bis heute nicht eingeführt werden, nur weil die dafür nötige e-ID fehlt! Es geht also nicht nur einfach um ein paar digitale Prozesse, sondern um das reale Leben der Menschen. Auch für das dringend benötigte elektronische Patientendossier und für eine Vielzahl von Prozessen im Bereich der Altersvorsorge braucht es unbedingt eine e-ID. Höchste Zeit also, dass wir nicht mehr länger zuwarten. Die Gewerkschaften empfehlen deshalb: Ja zum digitalen Service public, Ja zur e-ID!