Unmenschliches und teures Kontingentssystem: Die Schweiz spürt die negativen Wirkungen bis heute

  • Migration
  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Blog Daniel Lampart

Das frühere Kontingentssystem mit dem Saisonniersstatut verschwindet nach und nach aus dem öffentlichen Gedächtnis. Dabei sind seine Spuren immer noch erkennbar – wenn auch etwas verdeckt. Denn viele der früheren Saisonniers sind heute in der IV, langzeitarbeitslos oder in der Sozialhilfe. Weil sie früher zu prekären Anstellungsbedingungen arbeiten mussten (s. dazu die Analyse des Kontingentssystems des SGB). Weil die damaligen Arbeitgeber die Ausbildung und auch den Erwerb einer Landessprache sträflich vernachlässigt hatten. Sie seien ja nur kurz da – um sie nach trotzdem mehrere Saisons zu beschäftigen. Schliesslich waren die Saisonniers von ihren Familien getrennt, was ihnen psychisch zu schaffen machte und für die Integration nicht förderlich war. Oft helfen die Kinder, sich im neuen Land besser zurecht zu finden und die Sprache zu lernen.

Verschiedene Studien und Erfahrungen zeigen, dass diese Faktoren - zusammen mit der Risiken aus der körperlichen Arbeit – die Gesundheits- und Arbeitslosigkeitsrisiken markant erhöhen. So sind „Migranten ohne Ausbildung und Sprachkenntnisse besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine Hochrisikogruppe bezüglich Invalidisierung“, wie man in einer Studie für das Bundesamt für Sozialversicherungen lesen kann.

Das neue Migrationsregime der Personenfreizügigkeit mit Flankierenden Massnahmen ist diesbezüglich wesentlich besser aufgestellt. Die Aufenthaltsrechte sind familienfreundlicher und stabiler. Das Saisonnierstatut ist abgeschafft. Die Jahresaufenthalte gibt es für 5 Jahre. Die Betroffen müssen nicht mehr jedes Jahr zittern, ob sie bleiben können oder weg müssen. Und die Familien können in der Regel zusammenbleiben, während selbst jemand mit einer Jahresaufenthaltsbewilligung früher 18 Monate warten musste.  

Mit den Lohnkontrollen wird Dumping und Schwarzarbeit aktiv bekämpft. „Billigarbeitskräfte“ gibt es nicht mehr wie früher. Damit müssen die Arbeitgeber in ihr Personal investieren und sie aus- und weiterbilden - wie die SchweizerInnen. Damit sie gleich produktiv sind.  

Migrationspolitische Hardliner sagen, dass man die MigrantInnen von den Sozialwerken ausschliessen muss. Rein rechtlich ist aber klar: Wer Beiträge zahlt, muss auch Leistungen erhalten. Wer gar so weit geht und fordert, dass die ausländischen Arbeitskräfte keine Beiträge zahlen sollen, schiesst sich ins eigene Bein. Denn das wäre nicht nur unsozial, sondern auch Dumping gegenüber den InländerInnen. Doch der entscheidende Punkt ist ein anderer - wie beispielsweise Max Frisch schrieb: „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“. Unmenschliche Systeme funktionieren nicht. Weil die Menschen soziale Wesen sind. Sie möchten dort zuhause sein, wo sie arbeiten. Sie knüpfen Kontakte und Freundschaften – unabhängig von ihrer Herkunft.

Es ist übrigens noch keine fünf Jahre her, als der Bundesrat frühere Fehler wiederholen wollte. Bei der so genannten „Umsetzung“ der Masseneinwanderungsinitiative schlug er eine Förderung der Kurzaufenthalte bis 4 Monate vor. Längere Aufenthalte sollten mit Kontingenten „beschränkt“ werden, die potenziell prekären Kurzaufenthalte waren hingegen frei. Glücklicherweise gelang den Gewerkschaften zusammen mit anderen fortschrittlichen Kräften im Parlament, diesen Rückschritt zu stoppen.

Zuständig beim SGB

Julia Maisenbacher

Secrétaire centrale

031 377 01 12

julia.maisenbacher(at)sgb.ch
Top