Die Schweiz begeht heute den ersten digitalen 1. Mai der Geschichte, und die Mobilisierung ist stark. Denn die Realitäten und Probleme in der Arbeitswelt sind dramatisch. Diese am 1. Mai sichtbar zu machen und darüber zu debattieren, ist wichtiger als je zuvor. Die Lage für Betroffenen ist äusserst angespannt: Viele Beschäftigte verdienen weniger als üblich und haben Mühe, über die Runden zu kommen, viele Arbeitsplätze verschwinden. In einem heute lancierten Appell fordern die Gewerkschaften deshalb einen vollen Lohnersatz für tiefe und mittlere Einkommen und ein sofortiges Ende der Corona-Entlassungen.
Seit 130 Jahren ist der 1. Mai der Internationale Tag der Arbeit. In diesem Jahr konnte er zum ersten Mal in der Geschichte des Landes nicht mit Kundgebungen gefeiert werden. Tatsächlich ist dieses Jahr die wirksamste Form der Solidarität, Abstand zu halten. Aber auch wenn die soziale Dimension des 1. Mai mit den Demonstrationen und auf den Plätzen nicht stattfinden konnte, stand doch die Arbeitswelt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Unter dem Motto Solidarität. Jetzt erst Recht! Dies online, mit mehreren Dutzend Videobeiträgen aus der ganzen Schweiz, mit zahlreichen Workshops und Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Mit Berichten über die Probleme in den Branchen oder Debatten für mehr sozialen Fortschritt. In vielen Kantonen ergänzten physische Aktionen, die von Fenstern und Balkonen aus durchgeführt wurden, die Mobilisierung.
Soeben ist die Live-Sendung mit Pierre-Yves Mailard, Regula Rytz, Vania Alleva und Rebekka Wyler im Studio aus dem Zürcher Volkshaus zu Ende gegangen, die auf der Website Mai2020.ch und auf den Kanälen der Gewerkschaften, der SP und der Grünen ausgestrahlt wurde. Unia-Präsidentin Vania Alleva betonte, dass die Covid-19-Krise deutlich aufzeigt: «Nur soziale Sicherheit macht uns stark, nur gesellschaftliche Solidarität bringt uns voran. Sie sind das Gebot der Stunde.» SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard betonte, gerade an diesem aussergewöhnlichen 1. Mai werde es entscheidend sein, die Leute von einem solidarischen Projekt und der sozialen Idee zu überzeugen. «Wir kommen nur solidarisch aus dieser Krise.»
In der Krise, die wir derzeit durchleben, ist die Lage vieler arbeitender Menschen äusserst ernst. Hunderttausende Arbeitnehmende mussten soeben den April mit einem um 20 Prozent reduzierten Einkommen überstehen – während schon der übliche Lohn manchmal kaum reicht, um über die Runden zu kommen. Gleichzeitig gibt es tatsächlich Unternehmen, die jetzt Arbeitnehmende entlassen – andere zahlen Dividenden an ihre Aktionäre –, obwohl sie von einem ausserordentlichen, öffentlich finanzierten Kurzarbeits- und Kreditprogramm profitieren. Aus diesem Grund haben die Gewerkschaften heute den Aufruf «Solidarisch aus der Krise» lanciert. Er fordert den vollen Ersatz von Löhnen bis zu 5000 Franken netto und den Stopp von Corona-Entlassungen.