Die SGB-Gewerkschaften haben heute, am 25. Januar 2011, die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohninitiative)“ gestartet. Die Volksinitiative will den zunehmenden Lohndruck stoppen, einerseits durch Förderung von Gesamtarbeitsverträgen mit Mindestlöhnen, andererseits durch Festlegung eines nationalen gesetzlichen Mindestlohnes. Dieser soll 22 Franken pro Stunde betragen, was auf den Monat hochgerechnet 3800.- (bei 40 h/Woche) resp. 4000.- (42 h/Woche) ergibt.
„Seit 20 Jahren gibt es massiven Druck auf die tieferen und mittleren Löhne, während die hohen und höchsten Löhne explodiert sind“, stellte SGB-Präsident Paul Rechsteiner an der Lancierungs-Medienkonferenz fest. Mit der um die Jahrtausendwende lancierten Kampagne „Keine Löhne unter 3000 Franken“ sei der negative Trend wenigstens bei den tiefsten Löhnen gestoppt worden. „Jetzt aber braucht es die mit der Initiative vorgeschlagenen neuen Mittel, um den Lohndruck bei den tiefen und mittleren Einkommen aufzufangen und die verhängnisvolle Fehlentwicklung in der schweizerischen Lohnpolitik umzudrehen.“ Der gesetzliche Mindestlohn soll da greifen, „wo ein Gesamtarbeitsvertrag nicht möglich ist. Auch da müssen die Löhne zum Leben reichen!“
„Höhere Mindestlöhne führen nicht zu mehr Arbeitslosigkeit!“ So SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Sie ermöglichen etwa Betroffenen, einen Zweitjob aufzugeben, oder schafften für Sozialhilfe-BezügerInnen mehr Anreiz, wieder eine Arbeit anzunehmen. „Mindestlöhne führen zu einer ausgeglicheneren Einkommensverteilung.“ Das sei nicht nur gerecht, sondern auch konsumfördernd. Denn tiefe und mittlere Einkommen würden – wenn überhaupt – weniger sparen als die hohen Einkommen. „Deshalb würde mehr Einkommen als Konsum in den Wirtschaftskreis zurückfliessen.“ Höhere Mindestlöhne wirkten auch nicht preistreibend. Beleg: „Seit dem Jahr 1998 ist der unterste Mindestlohn im Gastgewerbe-GAV – nota bene als Folge von Verhandlungen der Sozialpartner – von damals 2350 auf heute 3383 Franken pro Monat gestiegen (+44 Prozent). Die Preise in den Restaurants und Hotels sind hingegen weitgehend im Einklang mit den übrigen Dienstleistungspreisen in der Schweiz gestiegen.“
Vania Alleva, SGB-Vizepräsidentin und Unia-GL-Mitglied, verwies auf die lange Liste der betroffenen Branchen: „Es sind ArbeiterInnen der Landwirtschaft, der Nahrungsmittel-, der Textilindustrie und des Gartenbaus, es sind Haushaltsangestellte sowie Betreuerinnen in der privaten Pflege, es sind Angestellte in der Reinigung, in Call-Centers, bei Kurierdiensten, in den sog. persönlichen Dienstleistungen wie dem Coiffeur- und Kosmetikgewerbe, in Teilen des Detailhandels. Betroffen sind aber auch Branchen und Berufe, die man nicht erwarten würde: PharmaassistentInnen oder Dienstleister in der IT-Branche.“ Vor allem müsse man sich immer wieder vor Augen führen: „Fast jeder zehnte Arbeitnehmende in der Schweiz arbeitet zu einem unhaltbaren Tieflohn. Betroffen sind gegen 300'000 Frauen und über 100'000 Männer“.
Auf besonders stossende Beispiele verwies kapers-Präsidentin Valérie Hauswirth: „Der Einstiegslohn für Kabinenbesatzungsmitglieder bei der Swiss liegt bei Fr. 3'300.- (2-sprachig) und Fr. 3'400.- (3-sprachig) und erreicht nach drei Jahren eine Höhe von Fr. 3'500.- (2-sprachig), respektive Fr. 3'600.- (3-sprachig).“ Und das nicht für irgendeine Hilfstätigkeit. Denn für den Einstieg beim Kabinenpersonal wird u.a. verlangt: „ein Mindestalter von 18 Jahren, ein Berufsabschluss oder die Matura, Freundlichkeit, Dienstleistungsorientierung, Teamfähigkeit usw. und ein ausgezeichneter gesundheitlicher Zustand.“ Bei der Air Berlin betrage der tiefste Einstiegslohn gerade mal mickrige Fr. 2'900.- .
Die Tessiner SP-Nationalrätin Marina Carobbio legte dar, dass gesetzliche Mindestlöhne auch ein wichtiger Schritt in Richtung Lohngleichstellung sind. Als Tessinerin verwies Carobbio darauf, dass in der Südstube des Landes Tiefstlöhne besonders verbreitet sind, sogar in der Uhrenindustrie: „Dort verdienen Angestellte immer noch 2‘500 Franken im Monat, trotz einer Branchenlösung, die seit 2008 eine schrittweise Lohnerhöhung von 100 Franken über drei Jahre vorsieht. Es ist eine Schande!“ Die Mindestlohn-Initiative wolle „eine Schweiz des Miteinanders statt des Gegeneinanders.“
Die vom SGB und seinen Verbänden gestartete Mindestlohninitiative wird unterstützt von: SPS, LCH – Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, Grüne, Alternative Liste / Linke, La Gauche, SAH – Schweizerisches Arbeiterhilfswerk, Liste 13, CSP, JUSO Schweiz, Junge Grüne, VASOS – Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen der Schweiz, IG Sozialhilfe, KABBA – Komittee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen.
Weitere Infos: www.mindestlohn-initiative.ch
Angehängt finden Sie Referate von:
- Paul Rechsteiner, Präsident des SGB
- Daniel Lampart, SGB-Chefökonom
- Vania Alleva, SGB-Vizepräsidentin, Mitglied Unia-GL
- Valérie Hauswirth, Präsidentin kapers
- Marina Carobbio, Nationalrätin SP
sowie die Pressedokumentation zur Mindestlohninitiative.