Topeinkommen ungebremst aufwärts

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Neue Fakten zur Einkommensverteilung in der Schweiz

Isabel Martinez, die neue SGB-Zentralsekretärin, forscht nach wie vor zur Einkommensverteilung. In ihren Arbeiten zeigt sie: Die Einkommen der Superreichen hierzulande steigen weiter. Und: die Reichsten bleiben am reichsten - sehr häufig. Vier Fragen.

SGB-Newsletter: Isabel Martinez, du bist Spezialistin der Einkommensverteilung. Trifft die Erwartung zu, dass wegen der Finanzkrise die Einkommen der Superreichen in der Schweiz zurückgegangen sind?

Nein, diese Erwartung trifft so nicht zu. Zwar ist 2009 ein leichter Rückgang bei den Topeinkommen zu beobachten. Am stärksten betroffen waren die Superreichen, das Top 0.01% der Steuerzahler. Diese Personen beziehen einen Grossteil Ihres Einkommens aus Kapitalerträgen, welche durch die globale Finanzkrise kurzfristig zusammengebrochen sind. Für die weniger reichen Topeinkommensbezüger, insbesondere das Top 10% aber auch das Top 1%, sind die Arbeitseinkommen dagegen fester Bestandteil des Einkommens. Bei diesen Spitzenverdienern fiel der Einkommensrückgang viel geringer aus. Im Vergleich zum kontinuierlichen Anstieg der Topeinkommen seit Mitte der 1990er Jahre ist der Rückgang aber nur ein Dämpfer des beobachteten Aufwärtstrends, zu einer Trendwende ist es nicht gekommen. Die aktuellsten Zahlen bis 2013 weisen darauf hin, dass sich die Topeinkommen bereits wieder erholt haben und sich der Anstieg weiter fortsetzt - auch dank der positiven Entwicklung auf den Aktienmärkten weltweit.

Wer sind die Superreichen in der Schweiz? Sind das vor allem Chefmanager, Firmeninhaber, Erben von Imperien, Spitzensportler?

Die Datenlage ist diesbezüglich dünn. Ich arbeite mit anonymisierten Steuerdaten und AHV-Daten, welche keine persönlichen Informationen über die Personen beinhalten. Wir wissen aber: Es braucht knapp 320'000 CHF Bruttojahreseinkommen, um zum Top 1% der Erwerbstätigen zu gehören. Chefmanager, Firmeninhaber und Spitzensportler gehören also sicher dazu. Aber auch viele Anwälte, Ärzte und Berater erreichen solche Jahressaläre.

Die Rede ist immer von Superreichen und Spitzenverdienern - wie steht es um die Spitzenverdienerinnen?

Nicht gut: unter den Top 10% waren 2010 nur 14% Frauen; unter den 4300 bestbezahlten Beschäftigten (das Top 0.1%), waren es gerade noch 4,5%, also ca. 190 Frauen. Diese Zahlen sind erdrückend, wenn man bedenkt, dass im selben Jahr 46% aller AHV-Pflichtigen Frauen waren. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass viele Frauen Teilzeit arbeiten.

Nehmen über die Jahre hinweg immer dieselben Personen Spitzenränge ein?

Nein, von Jahr zu Jahr gibt es Austritte und Neueintritte im Club des Top 1%. Rund 20% der Mitglieder eines Jahres gehören im darauffolgenden Jahr nicht mehr dazu. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass 80% auch im nächsten Jahr wieder unter den Top 1% der Spitzenverdiener sind. Nach 10 Jahren finden sich knapp 40% erneut unter den Top 1%. Diese Zahlen sind vergleichbar mit denen aus anderen Ländern, inklusive den USA. In einer neuen Untersuchung zeige ich, dass sich die so gemessene Einkommensmobilität der Spitzenverdiener trotz steigender Ungleichheit seit Mitte der 1990er Jahre kaum erhöht hat. Die Topeinkommen sind also gestiegen, die Wahrscheinlichkeit, an der Spitze zu bleiben, hat nicht abgenommen, und die Einkommensungleichheit hat insgesamt zugenommen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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