Soziale Ungleichheit als politisches Programm der radikalen US-Republikaner

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Artikel
Verfasst durch Von Peter Sigerist, SGB-Zentralsekretär

Vor einem Jahr erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis: Paul Krugman. Nun zeugt auch sein neuestes Buch „The Conscience of a Liberal“ – in der deutschen Übersetzung „Nach Bush“* - von seinem analytischen und didaktischen Scharfsinn. Krugmann zeigt darin engagiert auf, wie es in den USA zu einer unglaublichen Umverteilung des Reichtums von unten nach oben kommen konnte.

Krugman vergleicht in diesem Buch, das er im Sommer 2007, also noch vor den US-Wahlen 2008, geschrieben hat, auf anregende Weise drei lange Phasen der US-Sozialgeschichte: 

  • das „Lange Goldene Zeitalter“ zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner hohen Ungleichheit, aber mit der Teilhabe von allen am stetigen Fortschritt, 
  • den „New Deal“ (ca. 1930 bis 1973), das Amerika der Mittelschichten mit einem hohen sozialen Ausgleich, 
  • den radikalen Backlash der letzten über 30 Jahre mit einer nie gesehenen Ungleichheit in der Geschichte der USA.

Krugman zeigt den Leser/innen auf, wie er während der Buch-Niederschrift seine zentrale Ursprungsthese vollkommen überarbeiten musste. Er ging als Ökonom davon aus, dass die enorm und rasant gewachsene gesellschaftliche Ungleichheit primär von der Wirtschaft ausging – über „unpersönliche Kräfte wie technischer Wandel und Globalisierung“. Die Republikaner wurden dabei die Partei der von der Globalisierung profitierenden reichen Aufsteiger und die Demokraten die Partei der Globalisierungsverlierer. Krugman, der auch ein hervorragender Historiker ist, gelang aber im Laufe seiner Forschung zur Überzeugung, dass der „Ursachenpfeil in die andere Richtung zeigt“. Auf 300 Seiten mit umfangreichen Quellenangaben begründet Krugmann, dass die letzten 30 Jahre anders zu erklären sind: „Radikale von der Rechten, die entschlossen waren, die Errungenschaften des New Deal wieder abzuschaffen, übernahmen im Laufe der siebziger Jahre die Republikanische Partei und schufen eine Kluft zu den Demokraten, die zu den wahren Konservativen wurden, zu Verteidigern der bewährten Institutionen der Gleichheit. Die Machtübernahme der harten Rechten ermutigte die Wirtschaft, einen Grossangriff auf die Gewerkschaftsbewegung zu starten, der die Verhandlungsmacht der Arbeiter entscheidend schwächte; sie befreite die Wirtschaftsführer von den politischen und sozialen Zwängen, die exorbitanten Vorstandsbezügen bisher Grenzen gesetzt hatten; sie senkte drastisch den Steuersatz auf hohe Einkommen; und sie förderte auf vielfältige sonstige Weise die wachsende Ungleichheit.“

Die früheren Wahlerfolge der Republikanischen Partei, die alles für die Reichen zu Lasten der Mittelschichten und der Armen unternahm, dabei auch vor undemokratischen Mitteln nie zurückschreckte und dafür von den alten und den neuen Reichen ungeheure Mittel für ihre Propagandafeldzüge erhielt, erklärt Krugman mit dem zügellosen Ausschlachten des Rassismus durch die Republikaner. „Die Hinterlassenschaft der Sklaverei, die Erbsünde Amerikas, ist der Grund, warum wir die einzige hoch entwickelte Volkswirtschaft sind, die ihren Bürgern keine medizinische Versorgung garantiert.“ Krugman weist aber bereits darauf hin, dass diese historische Konstante am Verblassen sei – der Wahlerfolg des farbigen Obamas bestätigte dies.

Damit der Erfolg der Demokraten nachhaltig wirken kann, braucht es gemäss Krugmann mindestens die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung, die Rücknahme der Steuererleichterungen für die Reichen, ein Bildungssystem mit mehr Chancengleichheit, die Anhebung des Mindestlohnes und damit verbunden die Stärkung der Gewerkschaften, weil diese entscheidend für den sozialen Ausgleich wirken.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Premier secrétaire et économiste en chef

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