Die Einnahmen in den meisten Kantonen gehen und gingen infolge der Krise zurück, der Steuersenkungswettlauf geht weiter. Beispiel Zentralschweiz: Der für Unternehmen bereits heute sehr steuergünstige Kanton Luzern senkt die Gewinnsteuern auf 2012 auf ein Tiefstniveau. Nidwalden läutet mit der Senkung der Gewinnsteuern und der Steuersätze für hohe Einkommen die nächste Senkungsrunde ein. Das führt das Obwaldner Parlament dazu, die Gewinnsteuern zu senken, um wieder den tiefsten Satz bieten zu können. Nach der Flat-Rate in Obwalden führte zudem auch Uri mit NFA-Geld eine Flat-Rate-Tax ein. Fazit: Der Steuersenkungswettlauf, der sich in den letzten Jahren beschleunigt hat, kommt nicht zum Stillstand.
Mehreinnahmen nur für Regionen nah von Wirtschaftszentren
Diese Steuersenkungen werden damit begründet, dass der Kanton eine tiefe Steuerbelastung haben muss, um als Standort für Firmen und hohe Einkommen attraktiv zu sein. Die Steuerbelastung ist jedoch bei der Standortwahl ein relativ unwichtiger Faktor. Viel wichtiger sind Lebensqualität und Infrastruktur sowie für die Unternehmen die Verfügbarkeit von gut qualifizierten Arbeitskräften oder die Nähe zu den Kunden.
Doch selbst wenn die Steuerbelastung von Bedeutung wäre, hat die Schweiz kein Problem. Die Gewinn- und Einkommenssteuern sind im internationalen Vergleich sehr tief. Wenn die Steuern weiter gesenkt werden, bringt das schweizweit folglich nur Steuerausfälle. Steuersenkungen können höchstens für kleine Kantone und Gemeinden in der Nähe der Wirtschaftszentren zu Mehreinnahmen führen. Das aber auf Kosten der Zentren, die eine Abwanderung von Steuersubstrat hinnehmen müssen. Dass Steuersenkungen meist Verlustgeschäfte sind, sagen paradoxerweise sogar die Kantonsregierungen. In fast allen Steuersenkungsvorlagen wird mit Steuerausfällen gerechnet. Besonders gut zeigt das die Abschaffung der Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen. Seit den 1990er Jahren haben fast alle Kantone diese Steuer abgeschafft. Die Folge: Die Einnahmen aus dieser Steuer sind um rund 500 Mio. Fr. gesunken, ohne dass die Vermögenssteuereinnahmen gestiegen sind.
Die andere Seite: steigende Mieten
Ökonomisch gesehen kann der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen gar nicht funktionieren. Alle BewohnerInnen können sich frei im Land bewegen und von den öffentlichen Dienstleistungen (Verkehr, Kultur, Sicherheit usw.) in der ganzen Schweiz profitieren, egal in welchem Kanton sie wohnen. Sie können wie Oswald Grübel oder Marcel Ospel in Wollerau tiefste Steuern bezahlen, aber von der Lebensqualität Zürichs profitieren.
Leidtragende sind die EinwohnerInnen mit tiefen und mittleren Einkommen. Denn wo Steuern gesenkt werden, steigen in der Regel die Bodenpreise und die Mieten. Dieser Anstieg frisst bei diesen Menschen mehr vom Einkommen weg, als sie durch tiefere Steuern einsparen. Das zeigt das Beispiel Zug in aller Deutlichkeit.
Mit der Steuergerechtigkeitsinitiative zu einer vernünftigen Steuerpolitik
Aus diesen Gründen hat die SP die „Steuergerechtigkeitsinitiative“ lanciert. Sie will für sehr hohe Einkommen und Vermögen Mindeststeuersätze von 22 % beziehungsweise 5 ‰ einführen. Unverheiratete trifft es ab einem steuerbaren Einkommen von 250'000 Franken – das entspricht einem Bruttoeinkommen zwischen 300'000 und 350'000 Franken. Bei den Vermögen greift die Initiative sogar erst ab zwei Millionen Franken ein. Mit dem geforderten Degressionsverbot wird zudem die steuerliche Privilegierung von besonders mächtigen und mobilen Personengruppen verhindert. Kurz: Es geht um weniger als 1 % der Schweizer Bevölkerung, das heute auf Kosten der Mehrheit vom ungezügelten Steuerwettbewerb profitiert.