Illustration wirtschaftlicher Ungleichheit

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Rosskur beim Bund, Geldregen in den Kantonen: Eine toxische Kombination für die Bevölkerung

  • Finanzen und Steuerpolitik
Artikel
Verfasst durch Reto Wyss

Der Bundesrat plant ein brachiales Sparpaket. Die als Reaktion darauf angehobenen öV-Fahrpreise sind nur ein kleiner Vorgeschmack dafür, was das für die Normalbevölkerung zu bedeuten hätte. Gleichzeitig schwimmen die Kantone im Geld, und wollen mit der OECD-Mindeststeuer noch mehr davon. Das müssen wir gemeinsam stoppen.

Ausgangslage international nirgends besser

Gleich vorweg: Der neuerdings vom Bundesrat verfolgte Sparkurs ist volkswirtschaftlich völlig falsch und angesichts des allgemeinen Zustands der öffentlichen Finanzen komplett unnötig. Wir erinnern uns: Nach einigen Startschwierigkeiten und unter Druck auch der Gewerkschaften hat der Bundesrat während der Coronapandemie einiges richtig gemacht und die Wirtschaft durch staatliche Einkommensgarantien vor einem Totalkollaps bewahrt. Dies bedingte massive ausserordentliche Mehrausgaben, die der Staat angesichts der – insbesondere im internationalen Vergleich – sehr komfortablen Finanzlage auch problemlos leisten konnte. Auch nach der Pandemie verfügt die öffentliche Hand noch über ein Reinvermögen von mehr als 400 Milliarden Franken, was mehr als der Hälfte der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung entspricht.

259 Milliarden für die Banken – Rosskur für die Bevölkerung

Wohl im Sinne einer Art kollektiven Selbstkasteiung zeichnete die bürgerliche Mehrheit des Bundesrats nach der Pandemie ein finanziell – nun nachweislich übertriebenes – düsteres Zukunftsbild, welche es erfordern würde, "den Gürtel nun endlich enger zu schnallen". Noch unter dem alten Finanzminister wurde folglich ein neuer Sparkurs verkündet, welcher von der neuen EFD-Vorsteherin stufenweise verschärft und konkretisiert wurde. Den letzten Ausschlag für die nun auf dem Tisch liegende Radikalkur gab vorgeblich der unerwartet schlechte Abschluss der Rechnung 2022, welcher sich jedoch vornehmlich aus buchhalterischen Umschichtungen und Einmaleffekten der Umsetzung der "STAF"-Reform (Einnahmen Verrechnungssteuer) ergab – und keineswegs auf strukturellen Problemen basiert.

Vor diesem Hintergrund muss man sich ob der Radikalität der angekündigten Sparmassnahmen die Augen zweimal reiben. Gekürzt werden soll flächendeckend: bei der Kultur (die sich nach Corona längst noch nicht wieder aufgerappelt hat), im öffentlichen Verkehr (mit der direkten, bereits eingetretenen Folge steigender Fahrpreise), bei der AHV (allen Ernstes?), in der Bildung (trotz steigender SchülerInnenzahlen) und in der internationalen Zusammenarbeit (Sparen bei den Allerärmsten schmerzt im Inland nicht). Gegen diese angekündigten Massnahmen werden sich die Gewerkschaften mit aller Kraft einsetzen.

Kantone schwimmen «überraschend» mal wieder im Geld

Wer sich mit Sparpaketen zur Zeit vornehm zurückhält, sind die Kantone. Doch sollte dies nicht als Lob verstanden werden, im Gegenteil: Nach Vorliegen der Jahresabschlüsse 2022 aus allen Kantonen zeigt sich ein kumulierter Überschuss von 3.3 Milliarden, bei einem zuvor budgetierten Defizit von 1.2 Milliarden. Die Kantone begründen dieses «Verrechnen» um 4.5 Milliarden allesamt hauptsächlich mit unerwartet hohen Einnahmen zum einen aus den Unternehmenssteuererträgen und zum anderen aus den Gewinnausschüttungen der Nationalbank. Ersteres ist nachvollziehbar, da zum Zeitpunkt der Erstellung der Budgets 2022 Ausmass und Tempo der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie nicht absehbar waren. Im Unterschied zum Jahr 2021 war jedoch die erfolgte sechsfache Gewinnausschüttung der Nationalbank für die Budgets 2022 ganz und gar absehbar, weshalb diese nicht ernsthaft als Begründung für die hohen Überschüsse vorgebracht werden kann.

Überschüsse werden zum Verschwinden gebracht

Diese horrenden Überschüsse sind nichts Neues und werden vom SGB schon seit Jahren aufgezeigt und moniert. Das Hauptproblem dabei: Aufgrund der restriktiven Haushaltsregeln fliessen diese Mittel in fast allen Kantonen nicht in produktive Ausgaben oder Investitionen, sondern verschwinden in einem anhaltenden sinnlosen Vermögensaufbau (siehe die oben erwähnte Zahl von 400 Milliarden). Dieser würde sogar noch höher ausfallen, wenn die Kantone für den Abschluss 2022 nicht zusätzlich ausgiebig zur buchhalterischen Trickkiste gegriffen hätten. So wurden Hunderte von Millionen noch vor Jahresabschluss dem Eigenkapital zugeführt, in der "finanzpolitischen Reserve" parkiert oder für das vorgezogene Abbuchen ganzer künftiger Jahrestranchen von PK-Sanierungsbeiträgen verwendet – nur um die Lage nicht allzu rosig aussehen zu lassen und mit "Begehrlichkeiten" konfrontiert zu werden. Rechnet man diese eigenartigen Transaktionen zusammen, kommt zu den 4.5 Milliarden noch mehr als eine weitere Milliarde hinzu.

Auf- und Ausgabenteilung aus dem Gleichgewicht

Die grossen Überschüsse der Kantone ergeben sich aber nicht nur einnahmenseitig, sondern gehen vor allem auch einher mit einem fatalen Knausern bei eminent wichtigen öffentlichen Aufgaben wie den Prämienverbilligungen, der Langzeitpflege oder der Finanzierung der Energiewende. Vor dem Hintergrund des versuchten ausgabenpolitischen Kurswechsels des Bundes wiegen diese negativen Begleiterscheinungen der Finanzpolitik der Kantone nun umso schwerer. Denn es ist zu erwarten, dass Ersterer nicht mehr ohne Weiteres für die Versäumnisse Letzterer einspringen wird – so wie dies spätestens seit Ausbruch der Pandemie das gängige Muster war. Seien es der Axpo-Rettungsschirm, die Ukraine-Schutzsuchenden, die Energiewende oder das Elektronische Patientendossier: Der Bund übernahm wiederholt auch in ureigenen Aufgabenbereichen der Kantone einen Grossteil der Ausgaben. Die sogenannte fiskalische Äquivalenz ("wer bestimmen kann, hat auch zu zahlen") ist damit schon länger aus dem Gleichgewicht, was es nun endlich zu korrigieren gilt.

OECD-Mindeststeuer: Ablehnung bringt neues Gleichgewicht

Eine solche Korrektur darf aber eben nicht durch ein unsinniges Sparpaket beim Bund erfolgen, sondern sie muss sich aus dem produktiven Einsatz der horrenden Überschüsse der Kantone ergeben. Diese alleine sind wie erwähnt weit grösser als das provisorische Preisschild der Sparpläne des Bundesrates von 2.7 Milliarden. Angesichts dessen wäre jene Schlussfolgerung naheliegend, dass die Kantone dem Bund doch diese Summe einfach überweisen sollen, was gar nicht so abwegig wäre. Oder ein analoger Vorschlag: Mit einer sinnvollen Umsetzung der OECD-Mindeststeuer könnte sich der Bund die benötigten zusätzlichen Mittel gleich selbst holen. Beschlossen hat er stattdessen das Gegenteil, denn er will den Löwenanteil der zusätzlichen Einnahmen dieser Mindeststeuer absurderweise wiederum den Kantonen überlassen. Allein das ist Grund genug, diese Vorlage in der Juni-Abstimmung deutlich abzulehnen – um danach gleichzeitig einer finanzpolitisch einigermassen ausbalancierten Neuauflage zum Durchbruch zu verhelfen und den Giftschrank von Keller-Sutters Sparplänen mit Wucht zuzuschlagen.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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