Die meisten Kantone budgetieren für 2013 ein Defizit. Deshalb wollen sie sparen, vor allem auf dem Buckel des öffentlichen Personals. Dieses aber beginnt sich zu wehren. In bisher vier Kantonen entwickeln die Beschäftigten und ihre Verbände harten Widerstand.
Eine satte Mehrheit der Kantone sieht für das nächste Jahr ein Defizit vor. Um dieses möglichst rasch zu beseitigen, planen diese Kantone einschneidende Sparprogramme. Visiert ist ein Dienstleistungsabbau. Gemeinsam ist dem Potpourri an Vorschlägen zweierlei: Die Menschen werden weniger Dienstleistungen (weniger Züge, Busse, Schulstunden, Beratung, schneegeräumte Strassen etc.) in Anspruch nehmen können, und die Kantonsangestellten müssen büssen: mit Mehrarbeit, weniger Lohn, Stellenabbau oder einem Mix aus allem.
Kantone mit dem Rotstift beim Personal
Die folgenden Beispiele zeigen, wohin die Reise geht:
Das Tessin erwartet ein Defizit von 198,5 Mio Franken. Um dieses zu korrigieren, will der Kanton die Löhne des öffentlichen Personals um 2 % (1,8 bei den vom Staat unterstützten Unternehmen) kürzen.
In Genf budgetiert die Regierung im zweiten Anlauf ein Defizit von 191 Mio. Franken. Angesagt sind ein Personalabbau im Bereich Bildung/Erziehung, Einschränkungen bei der vorzeitigen Pensionierung sowie Lohnabbau.
St. Gallen budgetierte in einem ersten Anlauf ein Defizit von 230 Mio. Franken. Ende November hat der Kantonsrat eine Steuerfusserhöhung um 10 % und eine Entnahme aus dem Eigenkapital von 110 Mio Franken gutgeheissen. Das Defizit reduzierte sich so auf 27 Mio. Dennoch beauftragte die Legislative die Regierung, den Personalaufwand 2013 nach eigenem Gutdünken um 1 % zu kürzen. Gegenüber ursprünglichen Plänen (siehe unten) buchstabierte die Legislative jedoch zurück.
In Luzern will die Regierung nächstes Jahr 57,7 Mio. Franken sparen, 2014 soll der Sparbetrag auf 111,8 Mio. steigen. Zahlen soll auch hier das Personal: Der Aufwand dafür soll nur um 0,5 % wachsen statt wie ursprünglich geplant um 1,5 %, beabsichtige Bestandeserhöhungen bei der Polizei werden über mehrere Jahre gestaffelt statt unverzüglich vollzogen. In der Verwaltung werden 26 Stellen gestrichen, bei Bildung und Gesundheit wird der Sachaufwand gekürzt.
Zürich budgetierte ein Defizit von 157 Mio. Franken. Daraufhin zwang der Kantonsrat der Regierung ein Sparprogramm von 200 Mio. Franken auf. Die Regierung soll frei bestimmen, wo sie wieviel einspart.
Im Kanton Bern sollen geplante Lohnverbesserungen von 44 Mio. Franken abgesagt werden, dazu gesellt sich ein 53 Mio. schweres über alle Bereiche verteiltes Leistungsabbau-Paket.
In weiteren 11 Kantonen sind Sparmassnahmen angesagt. Nur gerade AG, VS, FR, BS, VD und UR kündigen für nächstes Jahr schwarze Zahlen an.
„Gegen jede Fairness“
„Diese Abbaumassnahmen gehen gegen jede Fairness in den Arbeitsbeziehungen – und sie werden die Leute demotivieren. Zudem hat man im öffentlichen Dienst die Schraube der Arbeitsrhythmen so stark angezogen, dass jeder solche Abbau für die Service Public-Kund/innen unmittelbaren und sofortigen Leistungsabbau bedeutet,“ erklärt Dore Heim, die beim SGB u.a. für den Service Public zuständig ist. Heim sieht mit den Massnahmen auch die Attraktivität des Staates auf dem Arbeitsmarkt gefährdet: „Solcher Abbau ist ein negatives Signal an alle, die sich vorstellen können, im Service Public zu arbeiten.“ Der SGB warnt zudem vor kontraproduktiven Auswirkungen von Sparprogrammen. Sie sind konjunkturelles Gift – oder Öl in die Abwärtsspirale. Der SGB will denn auch die Finanzlage der Kantone genauer untersuchen. Erste Resultate sind auf Frühlingsbeginn 2013 zu erwarten.
Ob nun die Kantone zu pessimistisch budgetieren oder nicht: eines steht heute bereits fest. Die Einkommensverluste und damit die Defizite haben sie selbst verschuldet. Sie wollten Reiche und Unternehmen anlocken und senkten diesen die Steuern. Um nicht hintenanzustehen, zogen bald alle Kantone mit, was zu einem exorbitanten Steuersenkungswettbewerb führte. Folge: mangelnde Einnahmen überall. Das Beispiel St. Gallen zeigt die Dimension: Die aktuelle (2012 beschlossene) Steuerfusserhöhung macht bloss einen Viertel der in den Jahren und Jahrzehnten zuvor gewährten Steuersenkungen wieder rückgängig.
Widerstand formiert sich
In mehreren Kantonen regt sich nun aber Widerstand gegen den Abbau. Gewerkschaften und Personalverbände gehen gemeinsam dagegen vor.
In St. Gallen demonstrierten am 15. November an die 5000 Kantonsangestellte, „darunter das halbe Polizeikorps“ (NZZ) gegen die Sparmassnahmen. Sie erreichten zumindest, dass der Vorschlag eines 1,5 %igen Lohnabbaus fallen gelassen wurde. In Luzern gingen am 24. November gut 1500 Beschäftigte auf die Strasse, eine Petition wurde über 6000 mal unterzeichnet, und für den 10. Dezember, den Tag des Entscheides, ist ein Schülerstreik geplant. Im Tessin streikten unter VPOD-Führung die Staatsangestellten am 5. Dezember. Die meisten Schulen blieben geschlossen. An einer Protestdemo – um 15.00 in Bellinzona, also während der Arbeitszeit – fanden sich 2000 Menschen ein. Die Linke zeigt sich zuversichtlich, das Abbaubudget kippen oder zumindest die schlimmsten Giftzähne ziehen zu können. In Genf streiken die Service-Public-Beschäftigten heute (6. 12.). Vor allem an den Schulen und den Spitälern gärt es.
Die Gegenwehr formiert sich je nach Kanton unterschiedlich. Eine Bilanz ist aktuell noch nicht möglich. Für Dore Heim aber ist klar: „Wenn alle Personalverbände diesen Abbau zusammen entschlossen bekämpfen, dann werden sie ihn verhindern. Wir stellen hoffnungsvolle Zeichen der Abwehr fest.“