Die zunehmend wirtschaftsliberale Ausrichtung der Sozial- und Wirtschaftspolitik in den letzten 30 Jahren hat in der Schweiz zu einer Entsolidarisierung geführt. Das ist das Ergebnis der heute veröffentlichten SGB-Analyse. Dank den gewerkschaftlichen Offensiven bei Gesamtarbeitsverträgen und Mindestlöhnen, aber auch dank erfolgreichen Abwehrkämpfen in der Altersvorsorge konnte im Unterschied zu anderen Ländern jedoch Schlimmeres verhindert werden.
Vor rund 30 Jahren sassen beim Weihnachtsessen einer grossen Firma auch der Hauswart, das Sicherheits- und das Reinigungspersonal mit am Tisch. Heute ist das kaum mehr der Fall, weil die Firmen viele Tätigkeiten an Subunternehmen ausgelagert haben. Die Folgen: eine aufgehende Lohnschere und eine zunehmende gesellschaftliche Entfremdung. Neu droht mit der „Plattformwirtschaft“ ein vermehrtes Abgleiten in die Scheinselbständigkeit. Auch in der Altersvorsorge wird die Solidarität unterlaufen. Sinkenden Rente in der 2. Säule sollen durch private, individuelle Vorsorgeanstrengungen in der 3. Säule kompensiert werden. Diese Entwicklung führt zu einer schleichenden Teil-Privatisierung der Altersvorsorge, wovon primär die Banken und Versicherungen profitieren. Für Berufstätige mit tieferen und mittleren Löhnen geht die Rechnung nicht auf. Weiter wurden die Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität verschlechtert. Die Steuer- und Abgabepolitik stellte sich in den Dienst der Oberschicht – über Steuersenkungen für hohe Einkommen und ungenügende Prämienverbilligungen für den Rest der Bevölkerung.
Auch 2020 gehen die Gewerkschaften in die Offensive: mit einer Stärkung der AHV durch die Lancierung der Initiative für eine 13. AHV-Rente im März und mit einer nationalen branchenübergreifenden Lohnkampagne im Herbst. Der SGB setzt sich ausserdem mit dem BVG-Sozialpartnerkompromiss für eine bessere Rentensituation von Frauen, Teilzeitarbeitenden und unteren Einkommen ein. Bei der Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose setzt sich der SGB dafür ein, dass der Vorschlag des Bundesrats nicht abgeschwächt wird. Mit diesem sozialen Fortschritt würde nicht nur den Betroffenen geholfen, sondern auch der Trend zu einer schlechteren sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit gebrochen.