Die Abstimmenden haben Steuergeschenke an Reiche klar verworfen und den Vaterschaftsurlaub deutlich unterstützt. Das sind wichtige Signale für eine progressive Politik in der Schweiz. Sie ebnen den Weg für gerechte Lösungen für konkrete Probleme. Mit dem Genfer JA zu einem gesetzlichen Mindestlohn erhöht sich die Zahl der Kantone mit einem solchen Schutz für Bereiche ohne Gesamtarbeitsverträge auf vier.
Steuergeschenke an Reiche deutlich gestoppt
Die Schweizer Stimmberechtigten haben heute eine Steuersenkung für hohe Einkommen, die als Familienunterstützung getarnt war, abgelehnt. 70 Prozent der Steuersenkung für die 20 Prozent einkommensstärksten Familien: Die Unangemessenheit dieser Massnahme angesichts der konkreten Kaufkraftprobleme der Haushalte in der Schweiz war unübersehbar. Vor dem Hintergrund der Krise, in der viele Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen grosse Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen, wurde die Absurdität dieses Projekts noch deutlicher.
Jetzt müssen die strukturellen Probleme der Kindertagesbetreuung in der Schweiz angegangen und gelöst werden. Dazu gehört die rasche Schaffung weiterer Kinderbetreuungsplätze ebenso wie die Senkung des von den Eltern zu tragenden Kostenanteils. Der SGB wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Tagesbetreuung als echter Service public verstanden wird.
Des Weiteren hat für den SGB die Förderung der Kaufkraft von Arbeitnehmenden mit niedrigen und mittleren Einkommen nach wie vor höchste Priorität. Es geht einerseits darum, zu verhindern, dass die von Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust Betroffenen in die Prekarität abrutschen, andererseits gegen eine wirtschaftliche Abwärtsspirale anzukämpfen. Das heutige Nein öffnet den Weg für wirksame und schnelle Massnahmen, die allen zugutekommen, wie zum Beispiel die Senkung der Krankenkassenprämien durch einen Abbau der Krankenkassen-Reserven.
«In einer derart angespannten sozialen und wirtschaftlichen Situation ist die Unterstützung der Kaufkraft von Familien eine absolute Notwendigkeit: Dies scheint weitgehend unbestritten. Aber wir brauchen einen Mechanismus, der sein Ziel auch wirklich erreicht», sagte SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. «Die Ablehnung dieser Steuersenkung für die höchsten Einkommen zeigt: sozial ungerechte Projekte können in einer Volksabstimmung nur scheitern.»
Zwei Wochen Vaterschaftsurlaub sind erst der Anfang
Die breite Zustimmung zum zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zeigt, dass die Schweizer Stimmberechtigten in Sachen Gleichstellung endlich aufholen wollen. Der Vaterschaftsurlaub muss der Aufbruch zu einer Familienpolitik sein, die es Männern und Frauen erlaubt, sich gleichberechtigt um Familie und Erwerbseinkommen zu kümmern.
Dazu braucht es prioritär eine Verstärkung des Betreuungsangebots. Der SGB bekräftigt deshalb seine Forderung nach einem bedarfsgerechten Angebot an familien- und schulergänzender Kinderbetreuung, das als unentgeltlicher Service public ausgestaltet werden muss. Zudem muss für alle Eltern eine Elternzeit eingeführt werden, für die sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund gemeinsam mit verschiedenen weiteren Organisationen einsetzt.
In der konkreten Umsetzung auf Branchen- und Firmenebene muss der neue Vaterschaftsurlaub die freien Tage, auf die junge Vätern gemäss vielen GAV-Regelungen schon jetzt ein Anrecht haben, ergänzen und darf diese nicht ersetzen.
Der SGB wird sich weiterhin mit verschiedenen Organisationen für eine längere Elternzeit einsetzen. Es ist vielfach belegt, dass eine solche nicht nur für Kinder und Eltern Vorteile bringt, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft. Insbesondere hilft sie Müttern und Vätern dabei, sich Berufs- und Familienarbeit fair aufzuteilen, ohne dabei in alte Geschlechtsrollen zurückzufallen: Eine längere Elternzeit fördert das Engagement der Väter in der Kinderbetreuung und die Erwerbsintegration der Mütter.
Mindestlohn in Genf: überfälliger Schritt
Die Stimmberechtigten in Genfer haben mit überwältigender Mehrheit die Einführung eines Mindestlohns von 23 CHF pro Stunde beschlossen. Der SGB begrüsst diesen klaren Sieg für den Schutz der Löhne: Zu viele Arbeitnehmende sind nicht durch Gesamtarbeitsverträge (GAV) abgesichert und erhalten daher Löhne, die nicht reichen, um davon zu leben. Es ist höchste Zeit, dass ihre Arbeit ausreichend bezahlt wird.
Die zu niedrigen Löhne finden sich vor allem in Branchen, in denen es keine GAV gibt – entweder, weil die Arbeitgeber nicht bereit sind, sie abzuschliessen, oder weil sie keine repräsentativen Verbände haben. Die Einführung eines Mindestlohns wird in diesen Sektoren Abhilfe schaffen, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu stärken und den unlauteren Wettbewerb zwischen den Arbeitgebern zu verringern.
In vier Kantonen der Schweiz sind inzwischen gesetzliche Mindestlöhne eingeführt worden. In Basel-Stadt wartet eine Volksinitiative auf ihre Bearbeitung. Ausserdem wurden im Kanton Zürich drei kommunale Initiativen lanciert – in der Stadt Zürich, in Winterthur und Kloten. Das Ergebnis gibt diesen Initiativen starken Rückenwind.