Frau vor zu vielen Rechnungen

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Kantonsfinanzen: Investieren statt sparen!

  • Finanzen und Steuerpolitik
Artikel
Verfasst durch Reto Wyss

Zum Beispiel bei den Prämienverbilligungen

Nicht nur der Bund verzeichnet Rekordüberschüsse, auch die Kantone schwimmen im Geld. Nichts wäre nun schädlicher, als damit erneut den Steuerwettbewerb anzuheizen.

Dass sich Finanzminister Ueli Maurer fast schon aus Tradition verrechnet, ist nichts Neues: Nachdem er die Rechnung 2017 mit einem Überschuss von 2.8 Milliarden abschloss, weist die Rechnung 2018 gar 2.9 Milliarden Mehrertrag auf. Budgetiert waren jeweils deutliche Verluste. Die Taktik dabei ist durchsichtig: Die Verwaltung und den Service public zur Ausgabendisziplin zwingen, um danach die (vielleicht nicht ganz so) überraschenden Mehreinnahmen in den Schuldenabbau zu stecken.

Unverständliche Taktik

Besonders unverständlich ist diese Taktik allerdings in Zeiten von einerseits bereits rekordtiefen Schulden und andererseits Negativzinsen, die einen eigentlich am Schuldenmachen noch verdienen lassen würden! So hat auch der IWF in seinem kürzlich erschienenen Länderbericht die Schweiz zum wiederholten Male dazu aufgefordert, die finanzpolitisch sehr restriktive Schuldenbremse zu lockern, um mit Mehrausgaben nicht nur die momentane Konjunkturschwäche zu überwinden, sondern auch den längerfristigen Investitionsrückstand aufzuholen.

Weniger traditionsbehaftet ist, dass sich das Bild bei den Jahresrechnungen der Kantone genau gleich präsentiert: Für das Jahr 2018 wurden kumulierte Überschüsse von mehr als 2.3 Milliarden präsentiert, während man zuvor insgesamt ebenfalls Verluste budgetiert hatte. Wer also meinte, die Kantone zeigten bei ihrer Finanzplanung ein besseres Händchen -– zum Beispiel weil sie kleiner und überschaubarer sind –, der täuschte sich.

Auch das ist allerdings nicht neu: Der SGB hat in seinen Analysen (zuletzt hier) wiederholt aufgezeigt, dass die Kantone beim Budgetieren systematisch schwarzmalen und zudem ihr Nettovermögen tiefrechnen. Dabei ging es aber zumeist in erster Linie nicht darum, einen guten Vorwand zum Abwehren ausgabenpolitischer "Begehrlichkeiten" zu haben, sondern man wollte möglichst viel Pulver in der jeweils nächsten Schlacht des interkantonalen Steuersenkungswettbewerbs verschiessen können. Die Folge davon: Ein Sparprogramm jagte das nächste.

Tiefe Schnitte in vielen Bereichen

Die aggressive Sparpolitik hat tiefe Spuren hinterlassen: in den Sozial- und Gesundheitsausgaben (obwohl die Anzahl der Krankheits- und Pflegefälle aufgrund der Demografie eigentlich zunimmt!), im Bildungswesen (obwohl die Schülerzahlen wieder steigen!), in der öffentlichen Infrastruktur (obwohl die Bevölkerung auch insgesamt stetig wächst!) und in der öffentlichen Verwaltung (obwohl das Staatspersonal bereits jahrelang Nullrunden schlucken musste!). Dass das so nicht weitergehen kann, ist längst nicht nur den Gewerkschaften und der Linken klar: Im Kanton Obwalden kämpfen die vereinigten Bürgerlichen für Steuererhöhungen, nachdem sie diesen Kanton mit ihrer aggressiven Tiefsteuerstrategie zuvor fast in den Konkurs geritten haben. Gebremst wurden sie dabei zu Recht vom nationalen Finanzausgleich: Obwalden wurde vom Nehmer- zum Geberkanton und musste damit beginnen, Steuereinnahmen an den NFA abzuliefern. Steuereinnahmen, die er aber überhaupt erst wieder generieren muss – durch eine Korrektur der radikalen Steuersenkungen der Vergangenheit.

Nichts für die kleinräumige Schweiz

Abgesehen von der prinzipiellen Schädlichkeit des interkantonalen Steuerwettbewerbs, eignet sich die Schweiz dafür auch aufgrund ihrer gleichzeitig kleinräumigen und vielfältigen Struktur schlecht. Unsere Gebietseinheiten sind nicht 26 in sich geschlossene Wirtschaftsregionen, sondern vielmehr Pendlerkantone, Bergkantone, Wirtschaftszentren, "Innovations-Hotspots", Tourismusmagnete etc. Entsprechend unterschiedlich sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten.

Wenn im deutschen Föderalismus von Standort- oder Steuerwettbewerb die Rede ist – um ein Gegenbeispiel zu nehmen –, dann handelt es sich bei den konkurrierende Einheiten immerhin um Bundesländer, die zum Teil flächen- und einwohnermässig grösser sind als die gesamte Schweiz. Baden-Württemberg (11 Mio. EinwohnerInnen), Bayern (13 Mio.) und Nordrhein-Westfalen (18 Mio.) sind ohne Zweifel eigenständige Wirtschafts- und Versorgungsregionen, die weder auf ein Kranken- noch auf ein Opernhaus im benachbarten Bundesland angewiesen sind oder dieses gemeinsam planen müssten.

Zurück zur Schweiz: Mit 2.3 Milliarden fehlt es den Kantonen im Moment also nicht an Geld. Entscheidend ist, dass dieses nicht für eine weitere Runde Steuersenkungswettbewerb eingesetzt wird. Doch unter dem Deckmantel der "Umsetzung der nationalen Steuervorlage" planen viele Kantone nichts anderes. Der SGB hat deshalb bereits im Herbst angekündigt, dass er sämtliche Referenden zu dahingehenden kantonalen Projekten unterstützen wird. In Bern hat das geklappt, in Basel leider nicht. Viele wichtige Entscheidungen werden noch folgen.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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Reto Wyss
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