Es braucht eine PUK

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Verfasst durch Paul Rechsteiner, SGB-Präsident

Ein Jahr ist es her, seit die grösste Bank der Schweiz durch eine auf Notrecht gestützte Operation von Bund und Nationalbank gerettet werden musste. Lehren sind seither keine gezogen worden. Es droht die Wiederholung der Geschichte. Dagegen braucht es eine PUK.

Der Rettungsmitteleinsatz für die UBS bewegte sich mit 68 Milliarden Franken (nach damaligen Werten) in Dimensionen, die alles in der Schweiz bis dahin Vorstellbare bei weitem übersteigen. Noch nie in der Geschichte des Bundesstaats gab es eine solche Staatsintervention; weder das Parlament geschweige denn das Volk hatten zu diesem Einsatz öffentlicher Mittel etwas zu sagen. Noch nie war ausgehend vom Finanzsektor die schweizerische Volkswirtschaft vergleichbar bedroht.

Die Missbräuche, welche das Weltfinanzsystem beinahe zum Kollaps geführt hätten, gingen nicht einfach von den Schweizer Grossbanken aus. Die Schweiz und die Schweizer Volkswirtschaft sind den vom Finanzsystem ausgehenden Risiken aber in ganz besonderer Weise ausgesetzt. Die Bilanzsummen der beiden im globalen Investment-Banking tätigen Grossbanken sind um ein Mehrfaches grösser als das ganze schweizerische Bruttoinlandprodukt. 

Bis heute gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Lehren aus dem Beinahe-Kollaps des Finanzsystems auch nur in Ansätzen gezogen worden wären. Die Spitze der UBS strebt dieselben oder gar noch höhere Gewinnziele (15 Milliarden) und Eigenkapitalrenditen (20%) an wie vor der Finanzkrise. Ohne eine erneut hoch risikoträchtige Geschäftspolitik sind diese Ziele nicht zu erreichen. Die risikotreibende Boni-Praxis wird, abgesegnet durch die Finma, in nur leicht veränderter Form weitergeführt. 

Wie vor der Krise sind die für die Kontrolle zuständigen Instanzen des Bundes mit den Grossbanken eng verflochten. Die Kontrolleure sind abhängig von den Kontrollierten, sowohl wissensmässig wie auch über die personellen Besetzungen (wobei diese Abhängigkeit durch die Ablösung der EBK durch die Finma noch verstärkt wurde). Wenn die Finma in ihrem neuen Bericht zur Finanzkrise zuerst feststellt, dass weder die UBS noch die Aufsichtsbehörde die Risiken ihrer Geschäfte erkannt hätten, dann aber sofort relativiert, dass selbst dann, wenn die Aufsichtsbehörde diese gesehen hätte, eine korrigierende Intervention politisch nicht möglich gewesen wäre, dann ist das die Kapitulation jeder funktionierenden Aufsicht. Verschärft wird die Problematik durch die Schwäche des zuständigen Bundesrats, der mit Erklärungen wie jener glänzt, dass er alles wieder machen würde wie zuvor. Der fortgesetzte Blindflug und die fehlende Unabhängigkeit der massgebenden Akteure des Bundes – und ihre mangelnde Bereitschaft und/oder Fähigkeit, aus der Finanzmarktkrise die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen – sind für die schweizerische Volkswirtschaft und überhaupt für die Schweiz  zum Grossrisiko geworden. 

Die einzige mögliche und nötige politische Antwort auf diese für die Schweiz nie da gewesene Situation ist die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Eine PUK braucht es nach dem Parlamentsrecht dann, wenn "Vorkommnisse von grosser Tragweite der Klärung bedürfen". Die Vorgänge, um die es hier geht, übersteigen in ihrer Tragweite jene früherer Konstellationen, in denen eine PUK eingesetzt wurde (Mirage-Affäre 1964, PUK EJPD und PUK EMD 1989/1990, PUK Bundespensionskasse 1995). Die Einsetzung einer PUK hat in den genannten Fällen für die Schweiz regelmässig sehr positive Resultate produziert, indem jeweils aus Krisen wichtige Lehren gezogen wurden. Es gibt kein anderes wirksames Mittel, mit dem die nötigen politischen Schlussfolgerungen aus der Finanzmarktkrise für die Schweiz gezogen werden könnten.

Es wäre nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch politisch verantwortungslos, die Dinge wie bisher weitertreiben zu lassen und darauf zu vertrauen, dass trotz der institutionellen Schwächen in Zukunft nichts mehr passieren wird. Damit die nötigen Schlussfolgerungen aus der Finanzmarktkrise für die Schweiz gezogen werden können, braucht es aber vor allem eine rückhaltlose, unvoreingenommene und unabhängige Untersuchung mit der nötigen Autorität und den erforderlichen Mitteln, über die nach unserem politischen System nur eine PUK verfügt. 

Das Parlament steht vor einer historischen und in dieser Form nicht da gewesenen Herausforderung. Es darf kein zweites Mal dazu kommen, dass der Schweizer Staat und die Schweizer Bevölkerung die Folgen der Missbräuche der Spitzen der Grossbanken zu tragen haben. Wenn der Bundesrat bisher nicht imstande war, dafür zu sorgen, dass sich die Vorgänge vom Herbst 2008 nicht wiederholen können, ist das Parlament als oberste Gewalt im Staat gefordert, das stärkste der parlamentarischen Mittel einzusetzen. Nur mit einer PUK kann die schweizerische Demokratie ihre Rechte gegenüber den Spitzen der Grossbanken behaupten, die sonst aufgrund einer impliziten Staatsgarantie auf Kosten der Schweiz erneut ihre eigenen Regeln setzen. Es geht um eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft der Schweiz. 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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