Dossier Nr. 91: Unternehmen müssen Steuern zahlen - Steuergeschenke für Firmen sind volkswirtschaftlich falsch

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Dossier
Verfasst durch Daniel Lampart, Manuel Aepli, Anna Tanner

Unternehmensbesteuerung

Zusammenfassung

Auch Unternehmen müssen Steuern zahlen. Denn sie brauchen die öffentlichen Dienstleistungen (Infrastruktur, Bildung, Rechtssicherheit usw.) ebenso wie die Privathaushalte. Im Föderalismus gilt das erst recht. Ohne Unternehmenssteuern kämen die wirtschaftlichen Zentren in Finanznöte. Denn Steuern würden nur noch in den Wohngemeinden und –kantonen bezahlt. Ausländische Aktionäre von Schweizer Firmen wären sogar subventioniert. Der Schweizer Staat würde ihren Unternehmen die Infrastruktur (fast) steuerfrei zur Verfügung stellen. Indirekt könnten auch reiche Privathaushalte ihre Steuerbelastung senken. Wenn die Unternehmenssteuern tief sind, können sie Unternehmungen ihr Vermögen in Firmen auslagern um Steuern zu sparen. Weil die Schweiz keine Kapitalgewinnsteuer hat, können sie die Gewinne später bei einem Verkauf steuerfrei in ihr Privatvermögen verschieben.

Die Schweiz hat bereits seit Langem weltweit tiefste Unternehmenssteuern. Mit weiteren Senkungen kann sie sich gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten nicht besser stellen. Im Gegenteil drohen die negativen Auswirkungen zu überwiegen: Wegen den Steuerausfällen werden die Zentrumskantone weniger volkswirtschaftlich notwendige Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Sicherheit usw. tätigen können. Das kann die Schweiz Wohlstand und Arbeitsplätze kosten. Die Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung sind selbst für Länder mit hohen Unternehmenssteuern nicht eindeutig. Ob Unternehmenssteuersenkungen aber tatsächlich zu mehr Arbeitsplätzen und Investitionen führen, ist höchst umstritten. Wahrscheinlich sind primär finanzielle Reaktionen auf die Unternehmenssteuersenkungen, etwa die Verschiebungen von Einkommenssteuersubstrat zu Unternehmenssteuersubstrat und Gewinnverschiebungen, ohne dass es dabei zur Verlagerung von substanziellen wirtschaftlichen Tätigkeiten kommt. Die Schweizer Unternehmen werden vor allem durch Arbeitskräftemangel und ungenügende Nachfrage nach ihren Produkten in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. Das zeigen Umfragen bei den Firmen. Die Steuerbelastung ist kein Problem.  

Trotzdem ist die Besteuerung der Unternehmen in den letzten zehn Jahren unter massiven Druck geraten. 1998 schaffte der Bund mit der Unternehmenssteuerreform I die progressiven Gewinnsteuersätze und die Kapitalsteuer ab. Angetrieben von kleineren Kantonen mit unbedeutenden Unternehmenssteuereinnahmen senkten in den letzten Jahren die Kantone die Kapital- und die Gewinnsteuern um teilweise über sechzig Prozent. Das Gefälle in den kantonalen Steuersätzen hat sich deutlich verstärkt. Die kantonalen Steuersenkungen haben sich nicht gelohnt. Für diese Jahre gilt: Je mehr ein Kanton seine Unternehmenssteuern senkte, desto weniger stark nahmen seine Unternehmenssteuereinnahmen zu.

Die Unternehmenssteuersenkungen sind aber nicht nur von ungewissem Nutzen, sie bergen auch grosse Gefahren.

  • Zwischen den Kantonen entsteht ein gefährliches Ungleichgewicht: Die kleinen Kantone senken ihre beinahe bedeutungslosen Unternehmenssteuern, während die grossen Kantone unter Druck geraten, weil sie die Kosten für den Service public und die Infrastruktur des Standorts Schweiz stemmen müssen. Gerade Gewinnverschiebungen innerhalb der Schweiz führen zu einer „Trittbrettfahrermentalität“: die Infrastruktur der Zentren ist den Unternehmen willkommen, ihre Gewinne verschieben sie dagegen lieber in einen Tiefsteuerkanton. Mit dem steigenden Gefälle der Unternehmenssteuern in den einzelnen Kantonen verschärft sich dieses Problem. Zudem alimentieren die Zentren via NFA die Steuersenkungen der Kleinkantone.
  • Durch die Senkung der Unternehmenssteuern geraten auch die Spitzensteuersätze der Einkommenssteuer unter Druck. Entweder werden gleichzeitig die Einkommenssteuern gesenkt, womit auch hier Einnahmeausfälle sowie eine schwächere Progression drohen. Oder aber der Steuerspreizungseffekt zwischen Unternehmenssteuern und Einkommenssteuern vergrössert sich, womit durch eine Verschiebung von Einkommen in eine Gesellschaft ein Steuerschlupfloch genutzt werden kann. Gleichzeitig führen Senkungen der Unternehmenssteuer tendenziell zu einem Anstieg der indirekten Steuern (Loretz 2008). Insgesamt entlastet dies das Kapitaleinkommen auf Kosten des Lohneinkommens. Das benachteiligt die tiefen und mittleren Einkommen.
  • Die EU akzeptiert die Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Erträgen sowie die Steuerbefreiung von Nichtbeteiligungserträgen bei Holdinggesellschaften nicht mehr. Eine Anpassung ist für die Schweiz unumgänglich, dies könnte aber den Steuerwettbewerb nochmals stark verschärfen. Eine Analyse über die Auswirkungen einer Abschaffung der Steuerprivilegien gibt es nicht. Trotzdem machen Bund und Kantone mit Schreckszenarien über die Abwanderung von Unternehmen Druck für eine „Jahrhundert-Steuersenkung“ bei der Gewinnsteuer. Über die Unternehmenssteuerreform III sollen die Kantone vom Bund Milliardenbeträge erhalten, um ihre Steuern stark senken zu können. Es ist zu befürchten, dass das am Schluss die Normalverdienenden zahlen müssen. Wirtschaftlich ist das Unsinn. In Zürich erhielten dann beispielsweise die grossen Banken und Versicherungen überflüssige Steuererleichterungen von bis zu einem Drittel.
  • Die Schweiz ist selber Opfer von internationalem Steuerdumping – insbesondere innerhalb von multinationalen Unternehmen. Doch diese Tatsache ist noch nicht ins politische Bewusstsein gedrungen. Man versucht die eigenen Steuerprivilegien krampfhaft zu verteidigen, statt die internationalen Bestrebungen für eine faire Besteuerung zu unterstützen.

Die massiven Unternehmenssteuersenkungen der letzten Jahre bedrohen den Wirtschaftsstandort Schweiz also mehrfach. Den Zentren drohen die Mittel zu fehlen, die sie für die Finanzierung wesentlicher Stärken des Wirtschaftsstandortes Schweiz benötigen. Der SGB schlägt deshalb Folgendes vor:

  • Die Unternehmen sollen sich auch in Zukunft angemessen an den Kosten zur Erbringung von staatlichen Leistungen beteiligen. Denn diese Leistungen sichern letztlich die Investitionen und die Schaffung von guten Arbeitsplätzen in der Schweiz. Auf Bundesebene gilt es deshalb, eine breite Erfassung des Steuersubstrates sicher zu stellen. Aufgrund der höheren Mobilität der Unternehmensgewinne gegenüber den tatsächlichen Arbeitsplätzen und den Einkommen der natürlichen Personen wäre eine Verlagerung der Gewinnbesteuerung von den Kantonen und Gemeinden zum Bund sinnvoll. Das könnte durch eine moderate Anhebung der Gewinnsteuern auf Bundesebene, zum Beispiel von 8.5 auf 11 Prozent, erreicht werden. Die Mehreinnahmen können durch einen höheren Kantonsanteil an den Unternehmenssteuereinnahmen des Bundes bzw. über den Soziodemografischen Lastenausgleich (SLA ) an die Kantone zurückfliessen, um eine bessere Abgeltung der Zentrumslasten im Zusammenhang mit wichtigen Leistungen für den Standort Schweiz sicher zu stellen.
  • Der volkswirtschaftlich ungesunde Steuerwettbewerb muss über eine auf Bundesebene festgelegte, starke Untergrenze der kantonalen Steuersätze eingeschränkt werden. Das verhindert, dass den Zentrumskantonen die Mittel für wirtschaftlich wichtige Investitionen fehlen.
  • Der „Steuerstreit“ mit der EU muss gelöst werden. Dazu ist die Sonderbehandlung von Holdings, Domizil- und Gemischten Gesellschaften vollumfänglich abzuschaffen (StHG Art. 28 Abs. 2-4 streichen). Statt Schreckszenarien zu kolportieren muss der Bund endlich eine seriöse Analyse über die Auswirkungen einer Abschaffung der Steuerprivilegien vorlegen. Diese kann zeigen, dass die Auswirkungen für die Kantone mit Ausnahme von Genf möglicherweise wirtschaftlich ohne weiteres tragbar sind. Grosse Unklarheiten gibt es in Bezug auf die Situation in den Kantonen Basel-Stadt und Waadt. Selbst wenn ein Teil der heute privilegierten Firmen ins Ausland abwandert, werden die Ausfälle dadurch kompensiert, dass die verbleibenden ihre Gewinne voll versteuern müssen. Gibt es Verlagerungen in Tiefsteuerkantone, dürften die Zentrumskantone mehr Mittel aus der NFA erhalten. Diese Wirkung kann durch einen Ausbau des Soziodemografischen Lastenausgleichs SLA noch verstärkt werden. Beim Bund können allfällige Steuerausfälle durch eine Ausweitung des Steuersubstrats (Einschränkung des Kapitaleinlageprinzips, weniger Verlustvorträge u.a.) kompensiert werden. Indem längere Übergangsfristen vorgesehen werden, können sich die Kantone auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen.
  • Die Schweiz sollte an solchen internationalen Bestrebungen für eine faire Unternehmensbesteuerung partizipieren und eine solche fordern. Dabei ist eine Eindämmung der internationalen Gewinnverschiebungen zu Steuerzwecken innerhalb von Unternehmen anzustreben. Unternehmenssteuern sind grundsätzlich dort zu bezahlen, wo die Wertschöpfung durch die Unternehmen stattfindet und dem Staat die damit verbundenen Kosten für öffentliche Leistungen anfallen. Eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Gewinnen innerhalb eines Landes – wie zum Beispiel besonders mobilen Erträgen auf immateriellen Gütern oder im Ausland erwirtschafteten Gewinnen – ist dabei schädlich und international zu unterbinden.

Mit solchen oder ähnlichen Massnahmen ist sichergestellt, dass sich die Unternehmen in der Schweiz auch in Zukunft an den Kosten, der von ihnen beanspruchten staatlichen Leistungen beteiligen. Es wird ohne direkten Eingriff erreicht, dass sich der Steuerwettbewerb bei den Unternehmenssteuern in der Schweiz zukünftig in geordneten Bahnen bewegt und die wirtschaftlichen Zentren nicht unnötig unter Druck geraten. Zudem wird der Unternehmenssteuerstreit mit der EU beigelegt und die Schweiz kann international auf eine faire Besteuerung der Unternehmen hinarbeiten. Insgesamt bleibt die Schweiz auch in Zukunft für Unternehmen sehr attraktiv. Die Steuerbelastung bleibt im westeuropäischen Vergleich tief. 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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