Um zu verhindern, dass aus der gegenwärtigen Krise eine dauerhafte Rezession wird, ist es dringend nötig, nicht bei den Stützungsmassnahmen zu sparen, Löhne weiterhin zu garantieren und Arbeitsplätzen zu erhalten. Diese Aufgabe hat nicht nur der Bund, sondern auch die Kantone: Sie verfügen über beträchtliche finanzielle Mittel, wie eine vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund vorgelegte detaillierte Analyse der kantonalen Budgets für 2021 zeigt. Vor der Krise verfügten die Kantone über ein Nettovermögen von 40 Milliarden Franken. Die Kantone müssen darum jetzt handeln und ihre Rolle als Stabilisatoren voll wahrnehmen, statt Ausgaben zu kürzen oder Unternehmenssteuern zu senken: Die ausserordentliche Situation erfordert eine ausserordentliche Reaktion – auch in den Kantonen.
Die Hochkonjunktur der vergangenen Jahre ist mit der Coronapandemie zu einem abrupten Ende gekommen. Auf die Finanzen der Kantone hatte dies bereits unmittelbare Auswirkungen, wie es die heute vom SGB veröffentlichte Studie zu den Kantonsfinanzen zeigt.
Krise entlarvt verfehlte Steuerpolitik
Kumuliert betrachtet budgetieren die Kantone insgesamt einen Rückgang der Fiskaleinnahmen um 1.67 Milliarden im Jahr 2021. Die Steuereinnahmen sind aber nicht nur konjunkturbedingt, sondern auch aufgrund steuerpolitischer Entscheide rückläufig. So treten vielerorts kantonale Steuergesetzrevisionen in Kraft. Diese wurden leider zu oft zum Anlass genommen, erneut einen Steuerwettlauf für tiefere Gewinnsteuern loszutreten. Zuletzt hat sogar der Kanton Nidwalden – mit den bereits seit Längerem schweizweit, ja weltweit tiefsten Unternehmenssteuern – kürzlich eine weitere Senkung des Gewinnsteuersatzes beschlossen. Der Kanton Zug, ebenfalls Tiefsteuerkanton, hat als «Konjunkturmassnahme» ebenfalls eine temporäre Senkung des Steuerfusses beschlossen. Dieser desaströse Steuerwettbewerb ist gerade in der aktuellen Krise absolut kontraproduktiv.
Ausserordentliche Situation erfordert ausserordentliche Massnahmen
Die Kantone müssen in dieser ausserordentlichen wirtschaftlichen Situation auch finanzpolitisch ausserordentlich reagieren. Nun braucht es überall eine aktive Finanz- und Konjunkturpolitik, so dass es alle möglichst gut durch die Pandemie schaffen. Zu diesem Zweck müssen die Kantone rasch zugunsten der krisengeschwächten Branchen aktiv werden. Nachdem, auch auf Druck der Gewerkschaften, die Härtefall-Regelungen auf Bundesebene beschleunigt in Kraft treten werden, braucht es jetzt die kantonalen Entscheidungen, mehr Mittel als bisher geplant bereit zu stellen, um damit den Bedarf zu decken.
Der einzig vernünftige Weg ist, das Niveau an öffentlichen Investitionen beizubehalten oder weiterzuentwickeln. Dennoch budgetieren neun Kantone für das kommende Jahr – teils massiv – tiefere Nettoinvestitionen (Solothurn, Obwalden, Neuenburg, Bern, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Tessin und Jura – in absteigender Reihenfolge). Eine solche Investitionspolitik ist nichts als kurzsichtig und kann katastrophale Folgen haben. Das Vertagen von Investitionen belastet zukünftige Generationen viel stärker als jede neue Verschuldung – insbesondere bei den gegenwärtig tiefen Zinssätzen. Dasselbe gilt für die Bundesebene.
Unzureichende Massnahmen
Zwar haben einige vereinzelte Kantone ehrgeizige Massnahmen zur Krisenbewältigung angekündigt, doch kann die Gesamtschau nicht zufrieden stellen. Denn auf die Kantone entfallen 40% aller öffentlichen Ausgaben in der Schweiz. Für den SGB ist darum klar, dass sie auch jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen und ihren Teil dazu beitragen müssen, indem sie ihre Investitionstätigkeit aufrechterhalten, Arbeitsplätze unterstützen und dazu beitragen, die Löhne zu garantieren. Der Entscheid des Kantons Waadt, einen Teil der Kurzarbeitsentschädigungen für die von den Einschränkungen betroffenen Branchen aufzustocken, ist ein Beispiel, das Nachahmer finden sollte.
In der gegenwärtigen Situation sind eine abwartende Haltung und Zurückhaltung ökonomisch gefährlich. Die Sicherung von Löhnen und Arbeitsplätzen muss weiterhin oberste Priorität haben, damit die Arbeitnehmer nicht den Preis der Krise zahlen müssen. Der Bund muss sein Engagement verstärken, aber auch die Kantone müssen und können ihren Teil dazu beitragen.