Die Initiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer geniesst in der Bevölkerung viel Rückhalt. Sie hat das Potenzial für ein Volks-Ja. Deshalb schwingen die Freunde der Millionärs- und Milliardärs-Steuerprivilegien nun im Abstimmungskampf die Arbeitslosigkeits-Keule. Die Grundlage dafür ist schwach.
Wie immer wenn einer linken Volksinitiative Sieg-Potenzial attestiert wird, bauen Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien die gleiche Drohkulisse auf: Arbeitsplatzabbau und Arbeitslosigkeit. Diesmal sollen wegen der Abschaffung der Pauschalbesteuerung 22‘000 Arbeitsplätze verloren gehen. Nur wenige Medien haben diese Zahl hinterfragt.
Jene, die es taten, deckten auf, dass die Zahl aus einer Studie eines Berliner Ökonomen stammt. Bestellt wurde die Studie von der privaten Lobby-Organisation „Mehrwert Schweiz“, deren Sekretariat von der Berner PR-Agentur Furrer, Hugi und Partner geführt wird. Der gleichen Firma also, die auch bei der IG Arbeitsplätze im Berggebiet die Fäden zieht, der Interessengemeinschaft, die heute zuvorderst gegen die Abschaffung der Pauschalbesteuerung weibelt.
Zürcher Erfahrungen: Unter dem Strich bleibt’s gleich
Das Parteigutachten geht von der höchst zweifelhaften Annahme aus, dass alle Pauschalbesteuerten die Schweiz von heute auf morgen verlassen. Diese Annahme hält der Realität nicht stand. Das zeigen die Erfahrungen aus Zürich und den anderen vier Kantonen, die die Pauschalbesteuerung in den letzten Jahren abgeschafft haben. In Zürich etwa zog die Hälfte der Pauschalbesteuerten weg – meist in einen anderen Kanton. Kanton und Gemeinden hatten danach fast gleich viel in der Kasse. Denn die verbliebenen rund 100 ehemaligen Steuerprivilegierten zahlten zusammen so viel wie früher knapp 200 Pauschalierte. Unter dem Strich dürfte die Übung für den Kanton und die Gemeinden sogar noch lukrativ gewesen sein. Denn die Villen der Weggezogenen blieben nicht leer. Die normalbesteuerten neuen Bewohner dürften dem Staat willkommene Zusatzeinnahmen beschert haben.
Wird die Pauschalbesteuerung nun in der ganzen Schweiz abgeschafft, dürften sich diese Erfahrungen bestätigen. Auch und gerade im Wallis. Spezialisierte Anwälte und Treuhänder – so genannte „Miliardärsschlepper“ – lockten dort in den letzten Jahren vor allem Franzosen im Pensionsalter an. Wichtigster Köder: Keine oder fast keine Erbschaftssteuern. Dass heute den so neu in Crans-Montana und Verbier Angesiedelten dank der Pauschalsteuer die Rechnung bereits vorher unglaublich tief ausfällt, ist da nur ein Zückerchen. Der Drang, die Schweiz nach Abschaffung der Pauschalbesteuerung zu verlassen, dürfte damit stark gebremst werden. Dies umso mehr, als sie auch wegen ihrer Liegenschaft enger an die Schweiz gebunden sind als zunächst gedacht. Denn ihre Villen und Luxusappartements sind Erstwohnungen. Wird die Zweitwohnungsinitiative korrekt durchgesetzt, darf die Liegenschaft nicht einfach in eine Zweitwohnung umgewandelt werden. Kommt dazu, dass es für die französischen Staatsangehörigen heikel ist, im heutigen Umfeld die Papiere zu verschieben.
Berggemeinden: neue Geschäftsmodelle entwickeln
Die Politiker der wenigen betroffenen Gemeinden (in erster Linie: Crans-Montana, Pontresina, Saanen, St. Moritz, Verbier und Zermatt), können sich damit die Hände reiben. Dank normal zahlenden Pauschalierten werden sie im Geld schwimmen und ihre Bahnanlagen bald wieder aus eigener Kraft erneuern können. Ausserdem können sie wieder ohne schlechtes Gewissen schlafen. Denn manch einer von ihnen hat im trauten Gespräch schon eingeräumt, dass die Pauschalsteuer zwar ungerecht, das Geschäft mit den so Privilegierten aber wichtiger sei.
Wer so argumentiert, dem fehlt der Blick fürs Ganze. Der unterschlägt, dass solche Steuerprivilegien der Gesellschaft insgesamt schaden. Denn die ungerechte Bevorteilung von Superreichen höhlt den Verfassungsgrundsatz aus, wonach alle nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern sind. Im Namen des Standortwettbewerbs sollte die Verfassung nicht mit Füssen getreten werden. Ein Ja zur Abschaffung der Pauschalsteuer schafft mehr Steuergerechtigkeit.
Statt zu lamentieren, dass die Unterländer den Berggebieten einmal mehr Knebel zwischen die Beine werfen, sollten die Politiker in die Hände spucken und tragfähigere Geschäftsmodelle entwickeln als das Schachern um Superreiche. Dabei dürfen sie durchaus selbstbewusst auftreten. Denn sie haben, wovon Unterländer träumen: eine intakte und schöne Natur mit vielfältigen Möglichkeiten. Davon träumen laut dem Luzerner Anwalt und Milliardärsschlepper Urs Mühlebach auch Superreiche. Als wichtige Gründe für den Zuzug in die Schweiz nannte Mühlebach kürzlich in einem Artikel des Tages-Anzeigers die hohe Lebensqualität, „geografische Highlights“ und das gute Bildungssystem.