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Budgets 2023: Die Kantone knausern zulasten der Bevölkerung

  • Finanzen und Steuerpolitik
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Die jährliche SGB-Analyse der Kantonsfinanzen zeigt auf, dass die Kantone finanziell weiterhin sehr gut dastehen. Trotzdem lassen die Budgets 2023 darauf schliessen, dass die Kantone ihre Verantwortung für eine Stärkung der Kaufkraft ihrer Bevölkerung nicht wahrnehmen werden.

Hohe Überschüsse, solide Einnahmen

Nach Vorliegen der Rechnungsabschlüsse 2021 konnte im Frühjahr 2022 festgestellt werden, dass sich die Kantone insgesamt um 5.7 Milliarden Franken vertan haben. Anstelle eines budgetierten Defizits von 2.9 Milliarden wiesen die Abschlüsse der kantonalen Erfolgsrechnungen einen kumulierten Überschuss von 2.8 Milliarden auf. Nichts wäre angesichts des sich seither merklich eintrübenden wirtschaftlichen Umfelds sinnvoller gewesen, als diese unerwarteten Überschüsse produktiv für die Bevölkerung einzusetzen. Doch leider passierte das Gegenteil, denn die reihum rigiden kantonalen «Schuldenbremsen» verleibten sich dieses Geld quasi automatisch ein, womit es auf der hohen Kante der Finanzwirtschaft statt in den Brennpunkten der Realwirtschaft landete.

Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds wird die Situation in den kantonalen Finanzverwaltungen auch im kommenden Jahr entspannt bleiben. So rechnen im nächsten Jahr sämtliche Kantone mit steigenden Steuereinnahmen – kumuliert betrachtet, sollen diese im Vergleich zum Budget 2022 um 5.5 Prozent beziehungsweise um 2.6 Milliarden Franken zunehmen. Weniger gut schaut es im nächsten Jahr bekannterweise für die SNB-Gewinnausschüttungen aus, doch können die Kantone notfalls auch einen kompletten Verzicht auf diese Mittel gut verkraften. Denn es sei daran erinnert, dass sie im laufenden Jahr eine sechsfache und damit maximal hohe Gewinnausschüttung verbuchen konnten, dies jedoch nirgendwo ansatzweise so budgetierten.

Für das kommende Jahr budgetieren insgesamt 13 von 26 Kantonen ein Defizit, welches sich kumuliert auf 224 Millionen Franken belaufen würde. Führt man sich allerdings vor Augen, dass sich die FinanzdirektorInnen chronisch verrechnen (oder zumindest verschätzen), kann man bei dieser Prognose für 2023 letztlich getrost von «tiefschwarzen» Rechnungen ausgehen. Denn, wie oben erwähnt, war das für 2021 budgetierte Defizit mehr als zehnmal so hoch wie das für 2023 erwartete, und dennoch verwandelte es sich am Ende in einen massiven Rechnungsüberschuss.

Das gute Polster ist zum Abfedern da

Aufwandseitig ist klar, dass sich die Kantone mit einem grossen Ausgabenbedarf konfrontiert sehen. Dies einerseits aufgrund langfristiger Treiber: Die SchülerInnenzahlen steigen weiterhin stark, genauso wie der demografisch bedingte Aufwand in der Langzeitpflege. Andererseits sind auch die Auswirkungen der Pandemie sowohl wirtschaftlich (etwa im öV oder in der Kultur) als auch gesundheitlich (Impfungen und Tests) weiterhin spürbar. Und zuletzt kam mit dem Ukrainekrieg eine Reihe neuer beziehungsweise gestiegener Budgetposten hinzu, insbesondere im Bereich der Ausgaben für Schutzsuchende und der höheren Energiepreise.

Hoher Ausgabenbedarf bei gleichzeitig solidem finanziellen Spielraum: Die Kombination würde eigentlich stimmen. Doch die Kantone knausern: Zwar steht – mit Ausnahme des Kantons Jura – in kaum einem Kanton ein grösseres Sparpaket an, doch angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten und des grossen Investitionsbedarfs entspricht schon ein «auf der Stelle Treten» einer äusserst konservativen Finanzpolitik.

Prämienverbilligungen: Die Kantone stehen in der Pflicht

Exemplarisch hierfür stehen die Prämienverbilligungen: In den meisten Kantonen steigen die für 2023 budgetierten Prämienverbilligungen weit weniger stark an als die Prämien und das Bevölkerungswachstum. Kumuliert betrachtet werden die Ausgaben der Kantone für diesen Budgetposten nur um 4.2 Prozent zunehmen. Doch nur schon um ihren aktuellen – bereits äusserst bescheidenen – Anteil an der Finanzierung der Grundversicherung zu halten, müssten die Kantone die Prämienverbilligungen mindestens um 7.4 Prozent erhöhen (dies entspräche dem Prämienwachstum von 6.6 Prozent plus Bevölkerungswachstum von 0.8 Prozent). Und auch dann hätten sie noch nichts Zusätzliches geleistet, um die horrende Prämienlast der Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen endlich etwas zu mildern (oder gar auf diesem Weg für die gleichzeitig stark gestiegenen Energiepreise und Nebenkosten etwas Entlastung zu schaffen).

Begründet wird diese konservative finanzpolitische Haltung von den Kantonen mit einer spätestens seit der Coronapandemie dauernd wiederkehrenden Devise: Der Bund bestimmt, also soll er bezahlen – seien es der Axpo-Rettungsschirm, die Ausgaben für Ukraine-Schutzsuchende oder eben die Prämienverbilligungen. Doch diese Haltung ist weder mit den staatpolitischen Kompetenzen noch mit dem finanzpolitischen Gewicht der Kantone kompatibel. Deshalb gilt es nun, alles daran zu setzen – im Rahmen der kantonalen Budgetberatungen 2023 und darüber hinaus –, dass der vorhandene Handlungsspielraum zugunsten der Bevölkerung endlich genutzt wird und die dringend nötigen Mehrausgaben und Investitionen getätigt werden.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss

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