Zuerst einmal mehr Prämienverbilligung, dann Steuerung

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Verfasst durch Christina Werder, SGB-Zentralsekretärin

Das ist die Rezeptur, die der SGB dem Gesundheitswesen in der Schweiz verschreibt: Kurzfristig – und dies auch aus wirtschaftlichen Gründen – braucht es mehr Prämienverbilligung, mittelfristig eine soziale Beschränkung der Prämien sowie eine Steuerung des Systems durch „Persönliche Gesundheitsstellen“.

Die Prämienerhöhung im nächsten Jahr ist massiv[1]. Sie  wird die Haushalte stark belasten. Und dies gleich doppelt: Weil die Zahl der Arbeitslosen dauernd zu- und damit das Einkommen vieler Haushalte abnimmt, steigt Zahl der Haushalte, die auf eine Prämienverbilligung angewiesen sind. Gleichzeitig verstärkt die massive Prämienerhöhung die Krise - ca. 2 Milliarden Kaufkraft werden der Wirtschaft entzogen. Wer wirtschaftlich und sozial verantwortlich folgern will, hat seinen Schluss bald gezogen: Es braucht mehr Prämienverbilligung. Aber genau diese hat der Nationalrat in der Herbstsession verweigert. Diese kurzsichtige Ablehnung ist ein Skandal – und unverantwortlich. Der SGB fordert, dass der Bund als Sofortmassnahme den ausserordentlichen Erlös aus der Veräusserung der UBS-Beteiligung in der Höhe von 1,2 Milliarden Franken für die Prämienverbilligung einsetzen soll. Der Ständerat muss hier korrigieren.

Einführung eines schweizweiten Sozialziels

Natürlich ist mittel- und langfristig die Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu dämpfen. Diese Bremse kann aber nicht abrupt eingesetzt werden – zu gross ist die Gefahr drastischer Leistungskürzungen und einschneidender Sparmassnahmen auf Kosten der Versicherten, der Patient/innen und des Gesundheitspersonals. Denn für den SGB ist klar: Der Zugang zu einer qualitativ hochstehenden medizinischen Versorgung für alle Bevölkerungsteile darf nicht geritzt werden.

Entschärft werden muss hingegen die Belastung der Haushalte. Mit anderen Worten: es braucht mehr  Prämienverbilligung. Bei der Einführung des KVG hat der Bundesrat ein Maximum von 8 Prozent des steuerbaren Einkommens als Ziel der Prämienbelastung formuliert. Das entspricht rund 6 Prozent des verfügbaren Einkommens[2].

Sozialpolitische Wirkung der Prämienverbilligung Monitoring[3] 2007

Haushalttyp

Durchschnittliche Prämienreduktion

Durchschnittliche verbleibende Prämienbelastung

Mittelschichtsfamilie[4]:

28 %9.8 %

Allein Erziehende Person[5]

24 %7 %

Grossfamilie[6]

34 %8,5 %

Familie mit einem Kind und einer jungen erwachsenen Person[7]

37%10,5 %

Die Beispiele zeigen deutlich: Was den Haushalten nach der Prämienverbilligung noch zu zahlen bleibt, liegt klar über dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Sozialziel. Der SGB fordert, dass ein solches  schweizweit gleiches Sozialziel nun verbindlich einzuführen ist. Nur so kann garantiert werden, dass die Prämienbelastung für alle Haushalte verkraftbar wird.

Weichen stellen: Persönliche Gesundheitsstelle PGS

Wir haben es bereits gesagt: Mittel- und langfristig sind in der Krankenversicherung die Kosten zu lenken und zu senken. Die zentrale Frage dabei: Wie geschieht das? Mit der Managed-Care Vorlage steht in diesem Zusammenhang eine zentrale Vorlage auf der politischen Agenda. Managed-Care-Modelle, die von Kassen definiert und gesteuert werden, fördern die Risikoselektion und stärken die Macht der Kassen. Das lehnen wir ab. Der SGB fordert flächendeckend qualitativ hochstehende Managed-Care-Modelle (Gatekeeping) mit Qualitätsrichtlinien, die gesetzlich festhalten sind. Die Versorgungsverantwortung für diese Modelle soll bei den Kantonen angesiedelt sein. Eine breite Allianz von Fach- und Berufsverbänden aus dem Gesundheitsbereich hat zusammen mit dem SGB und dem vpod das Modell der „Persönlichen Gesundheitsstelle PGS“ entwickelt und in die zuständige parlamentarische Kommission eingespiesen. Die PGS erbringt die hausärztliche Erstversorgung, übernimmt die Überweisung an andere Leistungserbringer und hat dabei die gesamte Behandlungskette im Blick. Alle Versicherten sind in der Wahl ihrer PGS fei. Die Kantone müssen eine flächendeckende Versorgung mit PGS gewährleisten.

Wenn die Politik sich für einen solchen Weg der Gesundheitsreform entscheidet, wird sie sowohl die Kostenentwicklung bremsen, aber auch eine Zweiklassenmedizin verhindern können.


[1] Durchschnitt für Erwachsene 8.7%; für junge Erwachsene 13.7%; für Kinder 10%

[2] Monitoring bericht 2007: Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligungen in den Kantonen. Interface Politikstudien, Luzern. Februar 2008.

[3] Ebenda 

[4] Zwei Erwachse, zwei Kinder im Alter von dreieinhalb und fünf Jahren, Bruttoeinkommen (exkl. FamZ) 70'000 Franken, kein Vermögen

[5] Erwachsene Person mit zwei Kinder, dreieinhalb und fünf Jahre, Bruttoeinkommen (exkl. FamZ) 60'000 Franken, kein Vermögen

[6] Zwei Erwachsene und vier Kinder im Alter von dreieinhalb, fünf, acht und zehn Jahren; Bruttoeinkommen (exkl. FamZu) 85'000 Franken, kein Vermögen

[7] Bruttolohn (exkl. FamZu) 70'000, kein Vermögen

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss
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