Wartefrist bei den Taggeldern der Unfallversicherung nützt niemandem

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Verfasst durch Doris Bianchi

UVG–Kompromiss hält, ausser in einem Punkt

In der Junisession hat der Nationalrat die Revision des Unfallversicherungsgesetzes beraten und den Entwurf einstimmig angenommen. Die Vorlage, ein sozialpartnerschaftlich beantragter Kompromiss, erwies sich also als tragfähig. Bis auf eine Ausnahme, die der Ständerat zu korrigieren hat.

Der Nationalrat will, ähnlich wie bei der Krankentaggeldversicherung, für die Auszahlung der Unfallversicherung-Taggelder eine Wartefrist einführen. Firmen und Versicherer sollen eine Wartezeit von bis zu 30 Tagen bis zur Auszahlung des Taggeldes an Verunfallte vereinbaren und damit Prämien sparen können.

Wartefrist verschlechtert den Versicherungsschutz

Die Einführung einer Wartefrist in der Unfallversicherung verschlechtert die sozialversicherungsrechtliche Abdeckung der Arbeitnehmenden vor Unfallfolgen. Der SGB lehnt sie daher klar ab. Daran ändert auch die Bestimmung (Art. 16 Abs. 5 Entw. UVG) nichts, dass dem Versicherten kein Nachteil daraus entstehen darf. Die Erfahrungen mit den Krankentaggeldversicherungen zeigen deutlich, dass sich solche Wartefristen nachteilig auf die Versicherten auswirken: Während der Wartefrist greift zwar die Lohnfortzahlungspflicht nach OR. Danach ist der Arbeitgeber während einer bestimmten Frist, die sich anhand der Dauer des Anstellungsverhältnisses ergibt, verpflichtet, bei Krankheit des Arbeitnehmers den Lohn weiter zu bezahlen. Die Frist ist jedoch kurz bemessen und greift erst nach einem mindestens dreimonatigen Anstellungsverhältnis. Für Arbeitnehmende, die frisch angestellt sind oder die im betreffenden Jahr bereits krank waren und die Dauer der Lohnfortzahlung ausgeschöpft haben, würde so die Lohnfortzahlung entfallen. Sie müssen den Lohnausfall bis zum Ablauf der Wartefrist selber überbrücken.

Arbeitgeber müssen bei Bagatellunfällen mehr bezahlen

Der Vorschlag ist aber auch für die Arbeitgeber nachteilig. Bei Bagatellunfällen, die eine Arbeitsunfähigkeit von wenigen Tagen nach sich ziehen, müssten sie während bis zu 30 Tagen selber für den Lohnausfall der verunfallten Arbeitnehmenden aufkommen. Bagatellunfälle bilden den Hauptanteil der Berufsunfälle. Für Kleinbetriebe etwa im Bauhaupt- und Baunebengewerbe sind Lohnausfälle für Bagatellunfälle ein häufiges Risiko, das aber viele Firmen nicht alleine tragen können. Die Prämieneinsparung, die sie mit einer Wartefrist erzielen können, macht die Risikoverlagerung auf den Arbeitgeber nicht wett. Im Gegenteil, durch die Einführung einer Wartefrist würde sich die Prämienlast für die Kleinbetriebe, die sich keine Wartefristen leisten können, eher noch vergrössern.

Wartefrist führt zu einer zusätzlichen administrativen Belastung

Eine Wartefrist in der Berufsunfallversicherung läuft zudem dem Anliegen einer administrativen Entlastung der KMU zuwider. Anstatt die Lohnfortzahlung durch den Unfallversicherer mittels Taggelder abwickeln zu lassen, muss sich das Unternehmen selber um die Lohnfortzahlung kümmern. Es wäre dann auch selber mit den schwierigen Abgrenzungsfragen rund um den Unfallbegriff konfrontiert. Die Wartefrist würde dem Unternehmen auch nicht die Meldung an den Unfallversicherer und die entsprechenden Verfahrensschritte ersparen. Denn der Unfall müsste gleichwohl dem Unfallversicherer gemeldet werden, damit dieser die Kosten für die Heilbehandlung übernehmen kann. Aber da die Meldung allenfalls mit Verspätung erfolgen würde, wären zudem ein erfolgreiches Case Management und die entsprechenden Integrationsbemühungen erschwert. Die Komplexität des Versicherungsangebots würde ebenfalls zunehmen und zusätzliche Abklärungen und Beratungen nötig machen.

Wartefrist ist nachteilig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Die Einführung einer Wartefrist in der Berufsunfallversicherung benachteiligt sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber. Von dieser Einschätzung gingen die Sozialpartner bei der Ausarbeitung des Kompromissvorschlages aus. Daher verzichteten sie auf eine Wartefrist im UVG. Der Entscheid des Nationalrats für eine solche Wartefrist lässt darauf schliessen, dass die negativen Auswirkungen einer solchen Änderung wenig bekannt waren. Der Ständerat, der das Thema in der Herbst- oder Wintersession behandeln wird, muss diesen Fehler korrigieren.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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Daniel Lampart
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