Einige Eckwerte haben die beiden Räte gesetzt. So soll der Behandlungsprozess etwa in integrierten Versorgungsnetzen gesteuert werden. Von solchen Netzen wird dann gesprochen, wenn Leistungserbringer wie z.B. Haus- und Spezialärzt/innen sich zum Zweck einer Koordination der medizinischen Versorgung zusammenschliessen. Diese Netze müssen den Zugang zu allen Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung sicherstellen. Zwingend ist, dass diese Netze Budgetmitverantwortung haben. Die Netze haben einen Vertrag mit den Kassen. Dieser Vertrag regelt die Zusammenarbeit, die Qualitätssicherung, den Datenaustausch und die Vergütung der Leistung. Die freie Arztwahl ist mit dem Beitritt zu einem solchen Netz eingeschränkt.
Versicherte, die diese Versicherungsform, d.h. ein integriertes Versorgungsnetz, wählen, werden mit ihrer Krankenkasse einen Vertrag abschliessen. Anders als heute können diese Verträge mehr als ein Jahr dauern. Sie können sich bis auf drei Jahre erstrecken. Versicherte, die aus einem solchen Vertrag vorzeitig aussteigen möchten, können dies nur indem sie eine Austrittsprämie bezahlen. Offen ist, wie hoch diese Prämie sein wird. Das wird im Vertrag geregelt. Die Hürden, um aus diesen Verträgen vorzeitig auszusteigen, sind sehr hoch und dürften Versicherten Kopfzerbrechen bereiten!
Umstrittene Inhalte
Drei zentrale Eckwerte sind noch nicht festgelegt; sie dürften in der Herbstsession noch für heftige Debatten sorgen. Ein erster Punkt ist die sogenannte Angebotspflicht der Kassen: Sollen die Kassen verpflichtet werden, ihren Versicherten diese Art von Netzwerken anzubieten oder soll ihnen dies freigestellt sein? Ein zweiter Punkt ist die Frage der Abhängigkeit der Netzwerke. Soll es erlaubt sein, dass die Kassen eigene Netze führen oder sollen diese Netze in jedem Fall unabhängig von den Kassen sein? Gestritten wird zum dritten um den differenzierten Selbstbehalt. Im Zentrum steht hier die Frage, ob für Versicherte ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, um sich für den Beitritt zu einem integrierten Versorgungsnetz zu entscheiden. Als Anreiz vorgeschlagen wird ein tieferer Selbstbehalt für jene Versicherte, die einem integrierten Versorgungsnetz beitreten.
Nicht einfacher für die Versicherten
Mit dieser Vorlage wird es für die Versicherten nicht einfacher zu entscheiden, welche Kasse mit welcher Versicherungsform die besten Konditionen anbietet, d.h. attraktive Prämien und bei der integrierten Versorgung eine tiefe Austrittsprämie bei vorzeitiger Vertragsauflösung. Abklären müssen die Versicherten zudem, ob ihre Leistungserbringer, von denen sie gerne behandelt werden möchten, im gewählten Versorgungsnetz sind oder nicht. Denn mit dem Beitritt zur integrierten Versorgung geben die Versicherten die freie Arztwahl auf.
Noch nicht durch
Es ist durchaus möglich, dass die Vorlage wegen der gewichtigen Differenzen zwischen den Räten noch im Parlament abstürzt. Eine Katastrophe wäre das nicht. Es würde dem vom SGB bevorzugten Konzept der Persönlichen Gesundheitsstelle eine neue Tür öffnen. Aber auch wenn die Räte zu einem Kompromiss finden sollten, ist die Vorlage noch nicht durch. In verschiedenen Verbänden der Ärzteschaft wird zur Zeit heiss diskutiert, ob die Vorlage zu schlucken oder zu bekämpfen sei. Der SGB wird zu gegebener Zeit entscheiden, ob er ein von anderer Seite ergriffenes Referendum unterstützen wird.