Pflegerin mit Seniorin im Heim

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Stärkung der Pflege: Der Nationalrat hat es in der Hand

  • Gesundheit
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Verfasst durch Reto Wyss

Die Versicherungslobby muss gestoppt werden

Kein westliches Land beschäftigt mehr im Ausland ausgebildetes Pflegefachpersonal als die Schweiz. Zahlen der OECD zeigen: Jede vierte Pflegefachperson besitzt hierzulande ein ausländisches Diplom, mehr als ein Drittel des gesamten Pflegepersonals ist ausländischer Herkunft.

Die Schweiz lässt sich die Ausbildung ihres Pflegepersonals also zu einem beträchtlichen Teil vom (ärmeren) Ausland finanzieren und trägt damit zum Pflegenotstand jenseits der Grenze bei. Und trotzdem konnte man damit nicht verhindern, dass auch hier in der Pflege der Personalmangel immer akuter wird. Und aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Bedarf an Pflege(fach)personen auf absehbare Zeit noch weiter steigen.

Stress hoch, Löhne tief

Vor diesem Hintergrund ist der heutige Alltag in der Pflege mehr als ernüchternd: Seit Jahren wird der durch die neue Spital- und Pflegefinanzierung ausgelöste Wettbewerb zwischen Spitälern und Heimen auf dem Buckel der Beschäftigten ausgetragen. Gleichzeitig steigt die Komplexität der Pflegefälle kontinuierlich, was zusätzlich zu einem Anstieg der Arbeitsintensität beiträgt.

Das Resultat sind Stress, Qualitätsprobleme und eine tiefe Berufsverweildauer von durchschnittlich 15 Jahren. Schon allein die Löhne liefern hierfür eine hinreichende Erklärung: Gemessen am Durchschnittslohn werden Pflegepersonen in der OECD nur noch in Litauen und Lettland schlechter bezahlt als in der Schweiz!

Es ist deshalb dringend nötig, die Arbeitsbedingungen und damit die Attraktivität der Pflegeberufe substanziell zu stärken. Das muss von einer angemessenen Entlohnung über vernünftige Arbeitszeiten bis hin zu einem Ausbau der Berufskompetenzen gehen. Die Pflegeinitiative des Berufsverbands SBK - SGB-Mitglied im Beobachterstatus - greift all diese Themen auf und fordert ein umfassendes Massnahmenpaket zur Stärkung von Qualität und Quantität in der Pflege.

Gegenvorschlag: Nachbesserungen nötig

Die dazu nun im Rahmen eines indirekten Gegenvorschlags vorliegenden Gesetzesänderungen und Beschlüsse sind zwar ein klarer Fortschritt im Bereich der Schaffung neuer Ausbildungsplätze und der Stärkung der Kompetenzen, Sie beinhalten aber keinerlei Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Förderung der Qualität. Zudem sind die Mittel, die vom Bund gemäss Gegenvorschlag gesprochen werden sollen, stark davon abhängig, ob die Kantone mitziehen. Bleiben einzelne Kantone untätig, bliebe auch das vorliegende Gesetz wirkungslos.

Der grösste Schwachpunkt der Revision ist jedoch, dass die eigenständige Leistungserbringung der Pflegefachpersonen an die Bedingung von "Vereinbarungen mit den Versicherern" gekoppelt werden soll. Dieser abermalige Versuch der Krankenkassenlobby, die Vertragspflicht mit den Leistungserbringern durch die Hintertür auszuhebeln ist völlig inakzeptabel - war doch genau ein solcher Versuch bereits der Auslöser für die Lancierung der Pflegeinitiative!

Für den SGB ist daher klar: Der neugewählte Nationalrat muss den "Lobby-Artikel" in der Wintersession schnellstmöglich wieder aus der Vorlage kippen und diese dann im Hinblick auf einen möglichen Rückzug der Initiative weiter verbessern. Es braucht verbindliche Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen (GAV-Pflicht), klare Vorgaben für eine Mitfinanzierung durch die Kantone und gesetzliche Verpflichtungen zur Steigerung der Pflegequalität.

Und nicht zuletzt muss darauf verzichtet werden, die Gesetzesänderungen wie vom Bundesrat vorgeschlagen auf acht Jahre zu befristen. Das ist deshalb unredlich, weil der "Pflegenotstand" bis dann kaum behoben sein wird. Zudem ist die aktuelle Mode, Gesetze mit Ablaufdaten zu versehen, demokratiepolitisch ganz grundsätzlich fragwürdig.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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Reto Wyss
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