Mann und Frau 55plus im Beratungsgespräch

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Stabiles Leistungsniveau und solidarisch finanzierter Rentenzuschlag

  • Berufliche Vorsorge
Artikel
Verfasst durch Gabriela Medici

Der Sozialpartnerkompromiss zum BVG

Obwohl der Wohlstand in der Schweiz steigt, sind die Renten der 2. Säule in den letzten zehn Jahren gesunken. Viele Menschen stellen heute empört fest, dass sich frühere Rentenversprechen in Luft aufgelöst haben. Weil die Zinsen – wegen der Finanzkrise – tief sind. Und weil Banken und Versicherungen auf Kosten der Versicherten viel Geld verdienen.

Vor diesem Hintergrund hat der SGB mit den Sozialpartnern über eine Reform der 2. Säule verhandelt. Letzte Woche wurde der Vorschlag der Sozialpartner Bundesrat Berset übergeben und der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Woche hat nun auch der Vorstand des SGB den Vorschlag als akzeptables Resultat, bei der alle Sozialpartner Zugeständnisse eingehen mussten, gewürdigt und dem Modell zugestimmt.

Dies gelingt aufgrund der Einführung eines dauerhaften, solidarisch finanzierten Rentenzuschlags ins BVG, der es ermöglicht das heutige Leistungsniveau zu halten – trotz sofortiger Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6.8 auf 6 Prozent. Dieser Rentenzuschlag wird mit einem Lohnbeitrag von 0.5 Prozent auf allen Löhnen bis rund 850‘000 Franken/Jahr finanziert und pro Kopf an alle künftigen BVG-RentnerInnen ausbezahlt. Dadurch erhalten tiefe Einkommen und Teilzeitbeschäftigte, die heute in der 2. Säule massiv schlechter gestellt sind, mit dem Reformvorschlag umgehend höhere PK-Renten. Personen mit höheren Einkommen beteiligen sich mit ca. einem Drittel an diesen Rentenverbesserungen. Wer einen Lohn von 50‘000 Fr. hat, zahlt rund 250 Fr. p.a. um nachher jährlich rund 1200 bis 1500 Fr. mehr Rente zu haben – unabhängig von der Höhe des Alterskapitals. Das stärkt den Solidaritätsgedanken in der 2. Säule und verbessert zudem das Preis-Leistungsverhältnis des BVG, was im heutigen Tiefzinsumfeld besonders wichtig ist.

Der Vorschlag sieht auch Änderungen vor bei den von Arbeitnehmenden geleisteten Beiträgen an die 2. Säule. Einerseits wird der Koordinationsabzug halbiert. Dies führt langfristig zu besseren Renten für Teilzeitarbeitende und ist damit insbesondere für Frauen von zentraler Bedeutung. Es ist aber auch ein Schritt, der mit höheren Lohnabgaben verbunden ist. Weiter führt der Vorschlag eine Glättung der Lohnbeitragssätze zwischen den jungen und den älteren Arbeitnehmenden ein. Ab Alter 45 sollen die BVG-Beiträge nicht mehr steigen. Dies trägt den Bedenken Rechnung, dass die höheren Altersgutschriften die beruflichen Chancen der älteren Arbeitnehmenden verringern.

Das Verhandlungsergebnis auf einen Blick

 

Das Verhandlungsergebnis auf einen Blick

 

Geltende Ordnung

Sozialpartnerkompromiss

 

Eintrittsschwelle

 

 

21‘330

 

 

21‘330

 

 

Koordinationsabzug

 

 

24‘885

 

 

12’443

 

 

MuwS

 

 

6.8 %

 

 

6.0%

 

 

Altersgutschriften

 

 

 

 

 

 

 

 

  21-24

 

 

-

 

 

-

 

 

  25-34

 

 

7%

 

 

9%

 

 

  35-44

 

 

10%

 

 

9%

 

 

  45-54

 

 

15%

 

 

14%

 

 

  55-Referenzalter

 

 

18%

 

 

14%

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rentenzuschlag

 

 

 

 

 

 

 

 

1.-5. Jahrgang

 

 

-

 

 

200 Franken / Monat

 

 

6.-10. Jahrgang

 

 

-

 

 

150 Franken / Monat

 

 

11.-15. Jahrgang

 

 

-

 

 

100 Franken / Monat

 

 

ab 16. Jahrgang

 

 

-

 

 

Fixierung der Höhe pro Kalenderjahr durch den Bundesrat

 

 

Finanzierung

 

 

-

 

 

0,5% (auf den AHV-pflichtigen Einkommen)

 

 

Der SGB hat die Auswirkungen des Kompromissmodells auf die Rentenhöhe und die Lohnbeiträge der einzelnen Lohnklassen im BVG-Obligatorium untersucht. Diese Modellrechnungen bestätigen, dass das Leistungsniveau gehalten wird. Zur Erstellung von individuellen Rentenprognosen sind sie hingegen wenig geeignet, weil sie individuelle Lohnentwicklungen nicht berücksichtigen und in BVG-Simulationen übliche konservative Annahmen zu Zins- und Lohnentwicklungen tendenziell zu einer Unterschätzung der Renten führen.

Viele Versicherte der beruflichen Vorsorge haben ausserdem überobligatorische Lösungen (rund 85 % aller Versicherten haben überobligatorische Versicherungsanteile). So gibt es heute Detailhandelsangestellte oder Gesundheitsfachleute (FAGE) im Überobligatorium, welche keinen oder einen tieferen Koordinationsabzug haben. Gleichzeitig finden sich in denselben Berufen aber auch zahlreiche Angestellte, welche nur BVG-obligatorisch versichert sind. Im genannten Fall des Überobligatoriums sind die Auswirkungen des Kompromissvorschlags schwerer abzuschätzen. Insbesondere Teilzeitbeschäftigte werden aber einen grösseren obligatorischen Anteil in der 2. Säule haben. Sie werden deshalb durch den neuen gesetzlichen Rahmen besser geschützt.

Wie geht es weiter?

Die Verfassung setzt in Sachen Vorsorge klare Ziele. An diesen orientiert sich der SGB: die Renten aus AHV und zweiter Säule sollen die «Fortsetzung des gewohnten Lebens in angemessener Weise» ermöglichen. An diesen Zielen orientiert sich der SGB. Er hat stets darauf aufmerksam gemacht, dass kein Spielraum für eine Senkung der Renten besteht und dass das Umlageverfahren stärker gewichtet werden muss. Vor diesem Hintergrund wird sich der SGB für das Sozialpartnermodell fürs BVG einsetzen. Die berufliche Vorsorge ist eine paritätisch geführte Sozialversicherung. Es ist deshalb ein starkes Zeichen, wenn die Sozialpartner sich auf eine Lösung für die gesetzlichen Mindestparameter einigen. Der Bundesrat hat signalisiert, dass er einen Gesetzgebungsprozess beginnen will, der das Verhandlungsergebnis als Reformvorschlag übernimmt. Die ersten Reaktionen der Parteien, aber auch der Branche deuten darauf hin, dass der Kompromiss als mehrheitsfähig eingeschätzt wird. Es drohen aber – nicht nur von Seiten des Gewerbeverbands und der SVP – aggressive Attacken, vor allem auf die Umlagekomponente. Sollte der Kompromiss aufgeschnürt werden, wird der SGB auch seine Unterstützung zum Modell in Frage stellen müssen.

Auch kann das Ergebnis der Verhandlungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die 2. Säule auch geprägt ist durch Geldabflüsse in Milliardenhöhe an Versicherer, Vermögensverwalter und Broker. Der SGB wird sich deshalb auch in Zukunft vehement für stärkere Gewinneinschränkungen, adäquate Risikoprämien, Transparenz in Bezug auf die Verwaltungskosten und einheitliche, verständliche Vorsorgeausweise in der beruflichen Vorsorge einsetzen. Und er wird weiterhin unbeirrt auf einer Stärkung der AHV bestehen – dem wichtigsten Sozialwerk der Schweiz und eine der grössten Errungenschaften der Gewerkschaftsbewegung.

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