Viele Menschen werden mit Erreichen des Pensionsalters ins kalte Wasser gestossen. Von einem Monat auf den anderen müssen sie auf einen erheblichen Teil des bisherigen Einkommens verzichten und den Gürtel enger schnallen. Viele plagen Existenzängste. Dagegen will der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) vorgehen. Er feilt zurzeit an einer Volksinitiative für höhere AHV-Renten.
Die Bundesverfassung lässt keinen Zweifel offen: AHV und Pensionskasse müssen im Alter „die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise“ ermöglichen. Unter „angemessen“ versteht der Bundesrat seit den 1970er Jahren, dass für Alleinstehende die Renten aus der 1. und 2. Säule 60 Prozent des letzten Brutto-Jahreslohnes ausmachen sollen. Bei Ehepaaren soll sich diese sogenannte Ersatzquote auf 80 Prozent belaufen.
Enger Gürtel auch bei mittleren Einkommen
Ein Blick auf die konkreten Zahlen zeigt, dass bei solchen Quoten viele Pensionierte jeden Franken dreimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Geht jemand mit einem Brutto-Monatslohn von 5000 Fr. in Rente, notabene ein weit verbreitetes Lohnniveau, bleiben ihm nach der Pension pro Monat noch gerade 3000 Franken im Portemonnaie. Das ist wenig Geld.
Dazu kommt, dass die offiziellen Ersatzquoten kaum erreicht werden. Viele Menschen erhalten nämlich aus der 1. und 2. Säule deutlich weniger als 60 Prozent des letzten Bruttolohnes. Besonders betroffen sind jene Menschen, die bei der Altersvorsorge bloss auf die AHV zählen können. Dies gilt etwa für jeden sechsten alleinstehenden Mann im Alter zwischen 65 und 70. Sie müssen den Lebensunterhalt ohne Leistungen aus 2. oder 3. Säule bestreiten. Allenfalls helfen ihnen die Ergänzungsleistungen. Beinahe jede vierte alleinstehende Frau zwischen 64 und 69 befindet sich in der gleichen Situation. Bei Ehepaaren sind es immer noch 13,5 Prozent.
Laut einer OECD-Studie verfügten in der Schweiz zuletzt 17,6 Prozent der über 65-jährigen Männer ein tieferes Einkommen als 3000 Franken. Wem hierzulande so wenig Geld zur Verfügung steht, dem droht soziale Isolation. Er oder sie kann sich den Schweizer Lebensstandard nicht mehr leisten. Das Phänomen wird noch verstärkt, indem die AHV-Renten immer weiter hinter der durchschnittlichen Lohnentwicklung zurückbleiben. Allein seit dem Jahr 2000 wurden die AHV-Renten um 10 Prozent abgehängt.
Aus Sicht des SGB-Vorstandes ist es nun Zeit, Gegensteuer zu geben. Mit dem Projekt AHVplus setzt der SGB auf die Verbesserung der AHV-Renten. Das Konzept baut auf dem Erfolgsmodell AHV auf, welches für die grosse Mehrheit der Bevölkerung eine sehr gute Leistung zum kleinen Preis bietet.
Renten merklich anheben
Die Renten sollen merklich angehoben werden – mindestens in der Grössenordnung einer 13. Monatsrente. Dies entschieden die Delegierten des SGB im Mai 2012. Mit welchem Modell das Ziel erreicht werden soll, wird zurzeit von den zuständigen Gremien des SGB geklärt.
Im September 2012 beschloss der SGB-Vorstand, beim Projekt AHVplus aufs Tempo zu drücken und eine Volksinitiative auszuarbeiten. Den definitiven Entscheid über die Lancierung der Initiative und über deren konkreten Inhalt treffen die Delegierten des SGB voraussichtlich im Frühjahr 2013. Zur Debatte steht unter anderem ein Modell, bei dem die Renten um 10 Prozent angehoben werden, das heisst für Alleinstehende rund 200 Franken pro Monat. Bei einem weiteren Modell würden die Renten für Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen stärker angehoben. Diskutiert wird auch die Forderung, das Projekt auf die Invalidenversicherung auszudehnen.