Die Kommissionsmehrheit des Nationalrats hat über Nacht aus dem austarierten BVG-Kompromiss der Sozialpartner eine «Pfusch-Vorlage» gebastelt mit Willkür bei den Leistungen und Mehrkosten bei den Beiträgen. Die Frage, wer von einer Abfederung der drohenden Rentenkürzungen profitieren soll und wer nicht, gleicht nun eher einer Lotterie als einer Sozialversicherung. Das vorliegende Banken- und Versicherungsmodell treibt die Kosten und Gewinnabflüsse in der 2. Säule weiter schamlos in die Höhe. Eine derart fehlerhafte und willkürliche BVG-Reform, bei der die Erwerbstätigen mit mittleren und tiefen Einkommen hohe Mehrkosten bezahlen, unter dem Strich aber weniger erhalten, wird vom SGB vehement bekämpft.
Obwohl ein Rentenabbau im BVG an der Urne bereits 2010 mit 72.2 Prozent wuchtig abgelehnt wurde, haben die Pensionskassen und Versicherungen in der Zwischenzeit die Umwandlungsätze und die Verzinsung im Überobligatorium drastisch gesenkt. Rund 8 von 10 Erwerbstätigen sind von dieser historischen Rentenschmelze betroffen. Währenddessen wurden die Kosten und Gewinnabflüsse zu den Anbietern der 2. Säule weiter schamlos in die Höhe getrieben – dadurch ist das Vertrauen in die Pensionskassen auf einem Tiefpunkt angelangt. Denn die Pensionskassenrenten sind seit 2005 real um 8 Prozent gesunken. Obwohl die Versicherten noch nie so viel in die 2. Säule einbezahlt haben wie heute. Gleichzeitig klafft die Rentenlücke der Frauen im BVG tief. Wenn Frauen überhaupt Leistungen aus der Pensionskasse erhalten, dann sind sie im Durchschnitt halb so hoch wie jene der Männer.
Mit der anstehenden BVG-Reform müsste das Parlament das System so stabilisieren, dass die Leistungen erhalten bleiben, die Versicherten geschützt sind und die Frauenrenten erhöht werden. Um diese Ziele zu erreichen hat der der SGB – zusammen mit Travail.Suisse und dem Arbeitgeberband – den Auftrag des Bundesrates erfüllt und nach über einem Jahr Verhandlungen im Juni 2019 den gemeinsamen Kompromiss präsentiert. Doch das nun im Nationalrat vorliegende Modell der Banken und Versicherungen ermöglicht keinen einzigen dieser Punkte zu erfüllen. Dem Parlament bleibt die Wahl, auf die Vorlage der Sozialpartner und des Bundesrats zurückzukommen, um die Renten zu stabilisieren und damit drängende sozialpolitische Probleme anzupacken. Oder, den Partikularinteressen der Versicherer und Banken zu folgen – und damit die BVG-Reform für weitere Steuergeschenke zugunsten der Topverdiener zu missbrauchen und gleichzeitig die Renten und Löhne von Personen mit tiefen und mittleren Einkommen weiter zu senken.