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Nur zaghafte Verbesserungsvorschläge des Bundesrats

  • Gleichstellung von Mann und Frau
  • Gesundheit
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Das Parlament muss bei der Angehörigenbetreuung nachbessern

Oft betreuen Angehörige pflegebedürftige oder betagte Menschen. Die ist nur schwer mit Erwerbsarbeit zu vereinbaren. Der Bundesrat schickt Verbesserungsvorschläge ins Parlament. Die Stoßrichtung stimmt, aber das Parlament muss nachbessern.

Mit dem Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung schlägt der Bundesrat dringend nötige Verbesserungen vor. Denn oft sind es Angehörige, in der Mehrheit der Fälle Frauen, die die Betreuung von betagten oder pflegebedürftigen Familienmitgliedern übernehmen. Die Forderung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB, dass Dienstleistungen in Pflege und Betreuung im Bedarfsfall allen Menschen bezahlbar und in guter Qualität zugänglich sein müssen, ist noch lange nicht erfüllt. Die öffentliche Hand muss hier sehr viel mehr Verantwortung übernehmen. Also springen Schwiegertöchter, Partnerinnen, Schwestern ein, wenn jemand in ihrem Umfeld auf Pflege und Betreuung angewiesen ist - häufig auf Kosten des eigenen Erwerbseinkommens. Für diese Menschen braucht es dringend Unterstützung, damit ihnen ihr Einsatz weder gesundheitlich noch finanziell zum Nachteil wird.

Nachdem die Vorlage in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst wurde, schickt der Bundesrat sie nun an das Parlament. Konkret schlägt er vor, dass nicht nur Eltern von minderjährigen Kindern, sondern alle Arbeitnehmenden kurzzeitig der Arbeit fernbleiben dürfen, ohne auf den Lohn verzichten zu müssen, wenn Angehörige erkranken. Allerdings sind die vom Bundesrat vorgesehenen 3 Tage pro Ereignis zu kurz und die jährliche Obergrenze von 10 Tagen ist ein unnötiger Bückling vor den Arbeitgeberverbänden, die die Vorlage in der Vernehmlassung abgelehnt haben.

Weiter will der Bundesrat, dass Eltern von schwer erkrankten oder verunfallten Kindern bis zu 14 Wochen bezahlt beurlaubt werden können. Dies ist eine große Erleichterung für betroffene Familien, auch wenn die 14 Wochen in vielen Fällen nicht ausreichen werden. Der SGB begrüßt auch, dass dieser Urlaub auf Anregung aus der Vernehmlassung auch tageweise bezogen werden kann. Der flexible Bezugsmodus ermöglicht es Eltern, die Urlaubstage über die - zu kurze - Rahmenfrist von 18 Monaten besser zu verteilen. Sehr stossend ist, dass ein Kündigungsschutz nur über 6 Monate besteht, und nicht über die 18 Monate der Rahmenfrist. Dies muss dringend korrigiert werden. Leider verzichtet der Bundesrat auf längere Urlaube für die Betreuung erwachsener Angehöriger. So werden weiterhin gerade ältere Arbeitnehmende aus dem Berufsleben gedrängt werden, weil sie Verantwortung für ihre betagten Eltern übernehmen müssen.

Die dritte Verbesserung, über die das Parlament befinden wird, betrifft die AHV-Betreuungsgutschriften: Neu ist auch anspruchsberechtigt, wer Angehörige mit bloss kleiner (bisher mittlere) Hilflosigkeit betreut und wer zur Lebenspartnerin oder zum Lebenspartner schaut - Ehe oder Verwandtschaft sind nicht mehr Pflicht. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt, um das Armutsrisiko von betreuenden Angehörigen zu senken. Unverständlich ist dagegen, dass der Bundesrat die vom SGB in die Vernehmlassung eingebrachten Verbesserungen nicht aufnimmt: Der Verzicht darauf, die eingetragene Partnerschaft gleichberechtigt neben der Ehe aufzuführen, wird der gesellschaftlichen Realität nicht gerecht, dies muss dringend korrigiert werden. Und die Definition von Lebenspartnerschaft als Führung eines gemeinsamen Haushaltes während mindestens 5 Jahren ist extrem rigide. Der SGB ist der Ansicht, dass 2 Jahre und/oder ein gemeinsames Kind längstens reichen, um eine Lebenspartnerschaft zu bestätigen.

Der SGB appelliert an National- und Ständerat, dass sie diese wichtigen Verbesserungen rasch beschliessen und nötige Korrekturen an der Bundesratsvorlage vornehmen. Denn wer Verantwortung für das Wohlergehen anderer übernimmt, verdient, dass Staat und Gesellschaft auch für sein Wohlergehen Verantwortung übernehmen. Die Politik ist in der Pflicht, dies umzusetzen.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss
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