Im Falschen gibt’s nichts Richtiges. Die Wahl individueller Anlagestrategien in der Beruflichen Vorsorge ist falsch. Deshalb ist dieses System abzuschaffen und nicht daran herumzuflicken.
Die geltenden Vorschriften über die berufliche Vorsorge erlauben es heute Kader-Pensionskassen, ihren Versicherten verschiedene Anlagestrategien, die mehr oder weniger risikobehaftet sind, anzubieten. Kaderleute können etwa risikoreichere Anlagestrategien mit einem hohen Aktienanteil wählen und so von einer allfälligen höheren Rendite profitieren. Falls aber diese Rendite wegen starken Börsenverlusten negativ ausfällt, garantiert das Freizügigkeitsgesetz den Kaderleuten beim Stellenwechsel ihre gesamten eingebrachten Leistungen samt Zinsen. Somit muss ein allfällig entstandener Verlust nicht vollumfänglich vom zockenden Versicherten, sondern von der Kaderpensionskasse und somit den verbliebenen Versicherten getragen werden. Diese unhaltbare Situation möchte der Bundesrat mit seinen Vorschlägen über die Änderung des Freizügigkeitsgesetzes ändern.
Legislatorischen Schnellschuss korrigieren
Seine Vorschläge sind zwar gut gemeint, erweisen sich aber alles andere als gut. Der Bundesrat möchte, dass der Versicherte einer Kaderpensionskasse, der eine abweichende Anlagestrategie wählt, einen allfälligen Anlageverlust beim Austritt aus der Pensionskasse selber trägt. Weit effektiver und systemgerechter wäre es aber, wenn die individuellen Wahlmöglichkeiten der Anlagestrategien rückgängig gemacht würden. Die Einführung der Wahlmöglichkeiten im Rahmen der 1. BVG-Revision erfolgte vorschnell und ohne Abschätzung der möglichen Auswirkungen. Die Komplexität der Individualisierung und die zahlreichen Probleme bei der Umsetzung zeigen, dass die Wahl der Anlagestrategien durch die Versicherten ein legislatorischer Schnellschuss war, der behoben werden muss. Der SGB fordert deshalb – anstatt einer Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes – die Streichung von Art. 1e BVV 2.
Gefahr der Ausweitung
Die Wahl der Anlagestrategie durch den Versicherten ist unvereinbar mit dem Grundsatz der kollektiven Solidarität innerhalb der Vorsorgeeinrichtung. Die Risiken, wie etwa die Anlagerisiken, werden in der beruflichen Vorsorge grundsätzlich vom Kollektiv getragen. Darin liegt der Mehrwert der beruflichen Vorsorge gegenüber der privaten Vorsorge. Eine Individualisierung der Risikotragung, wie sie der Bundesrat vorschlägt, ist systemwidrig. Auch wenn nur Mitarbeitende mit einem Jahreseinkommen über 130‘000 Franken von einer solchen Risikoverlagerung betroffen sein könnten, birgt bereits die blosse Möglichkeit auch für die tieferen Einkommensklassen Gefahren. Die Erfahrung zeigt, dass etliche Anstellungsbedingungen, die früher nur für Kaderleute galten, heute auch bei den Normalverdienenden angewendet werden. So waren variable Lohnbestandteile wie Boni oder Arbeitszeitmodelle wie die Vertrauensarbeitszeit früher dem Kader vorbehalten, heute sind sie auch bei den Angestellten verbreitet. Da in der beruflichen Vorsorge zudem der Trend nach einer individuellen Risikotragung immer stärker zu spüren ist, dürfte die Verlagerung des Anlagerisikos auf die Kaderleute Schule machen und früher oder später auch bei den Arbeitnehmenden mit einem Jahreseinkommen unter 130‘000 ankommen. Damit wären die künftigen Rentnerinnen und Rentner grossen Unsicherheiten ausgesetzt.
Kein Bedarf
Es besteht zudem kein Bedarf die Altersvorsorge für Kadermitglieder noch mehr zu begünstigen. Die Kadervorsorge über die berufliche Vorsorge hat auch ohne individuelle Wahlmöglichkeiten eine äusserst attraktive Position. Die Grenze des versicherbaren Lohnes über die berufliche Vorsorge liegt aktuell bei Fr. 842‘400. Bis zu dieser Schwelle sind Sparbeiträge und Einkäufe in die Kader-Pensionskassen steuerbefreit. Unternehmen können also für ihre Kaderleute steuerprivilegiert feudale Vorsorgelösungen vorsehen. Die stossenden Einkommensunterschiede zwischen oberem Kader und Angestellten werden dadurch sogar im Alter zementiert. Versicherte von Kader-Vorsorgekassen verfügen über genügend finanzielle Mittel, um auch privat für das Alter vorzusorgen. Individuelle Anlageentscheide können in ausreichender Form im Rahmen der privaten Altersvorsorge (Säulen 3a und 3b) getroffen werden. Daher braucht es nicht eine Ausweitung auf die berufliche Vorsorge.
Die Wahlmöglichkeiten von Anlagestrategien haben mehr Probleme und Aufwand geschaffen als nötig. Das Anliegen einer guten Altersvorsorge für Gut- und Spitzenverdienende ist in der Schweiz schon genügend realisiert.