Eine Volksinitiative aus konservativen Kreisen will Abtreibungen zwar nicht verbieten, aber zur „Privatsache“ erklären. Der Eingriff würde aus dem Katalog der obligatorischen Grundversicherung gestrichen, die Frauen hätten ihn selbst zu bezahlen. Das geht gegen die Würde der Frau und stellt einen Rückfall in konfliktreiche und für die Frauen leidvolle alte Zeiten dar.
Am 17. April 2013 wird die Grosse Kammer als Erstrat im Rahmen ihrer Sondersession die Volksinitiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache – Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung“ beraten. Die Initiative fordert, dass die Vergütung einer Abtreibung aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenversicherung zu streichen ist. Kurz gesagt: Frauen sollen künftig Abtreibungen aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Initiative stellt damit eine nach Jahren zustande gekommene und via Volksabstimmung legitimierte Lösung im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs in Frage. Sie ist ein inakzeptabler Rückschritt und muss abgelehnt werden. Die Nein-Parole hat die SGB-Frauenkommission zusammen mit 53 weiteren nationalen Organisationen schon längst beschlossen. Auch der Bundesrat und die zuständige nationalrätliche Kommission empfehlen das Begehren zur Ablehnung. Nur eine Minderheit von vier SVP-Männern beantragt dem Nationalrat, die Initiative anzunehmen.
Ein Nein ohne lange Diskussion!
Straflosigkeit innerhalb einer klar definierten Frist und die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse sind unzertrennbare Teile der bestehenden Lösung. Würden die Kosten nicht mehr durch die Krankenkassen gedeckt, wären Tür und Tor geöffnet, Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, unwürdigen Verhältnissen auszusetzen. Ein inakzeptabler Rückschritt! Zudem wäre die Behandlungsqualität nicht mehr garantiert, was schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen und entsprechende Kostenfolge für die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach sich ziehen könnte.
Im letzten Jahrhundert war ein Schwangerschaftsabbruch strafbar, ausser wenn nach ärztlicher Erkenntnis eine Gefahr für das Leben der Schwangeren oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihrer Gesundheit bestand und diese nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden konnte (medizinische Indikation).
Nicht wieder alte Gräben aufwerfen
Verschiedene Etappen prägten die Diskussion um die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs: Die 1971 zustande gekommene Volksinitiative „für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“ wurde zugunsten der 1975 lancierter Initiative für die Fristenlösung zurückgezogen. Der Gegenvorschlag des Bundesrates zu dieser Initiative empfahl die erweiterte Indikationenlösung inklusiv der sozialen Indikation. Im Mai 1978 wurde dieser Gegenvorschlag an der Urne abgelehnt. Ebenfalls in der Volksabstimmung scheiterte 1977 die Volksinitiative „für die Fristenlösung“.
Während der Sommersession 1978 wurden vier parlamentarische Initiativen sowie vier Standesinitiativen eingereicht. Ein Vorstoss verlangte die Einrichtung einer sozial-medizinischen Indikationslösung, die drei anderen strebten eine föderalistische Lösung im Bereich des straffreien Schwangerschaftsabbruchs an. Die Standesinitiativen wollten den Kantonen ermöglichen, die Fristenlösung einzuführen. All diese Vorstösse fanden im Parlament keine Mehrheit.
1980 kam die Volksinitiative „Recht auf Leben“ zustande. Sie scheiterte 1985 in der Volksabstimmung. Auch die Volksinitiative „für Mutter und Kind“ wurde am 2. Juni 2002 mit 81,8 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Hingegen wurde am selben Abstimmungstag mit 72,2 Prozent Ja-Stimmen die heute geltende Regelung angenommen. Sie geht auf eine im April 1993 von alt SP-Nationalrätin Barbara Hearing eingereichte parlamentarische Initiative zurück. Der Vorstoss verlangte eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs via Einführung einer Fristenlösung. Das vom Stimmvolk deutlich angenommene und am 1. Oktober 2002 in Kraft getretene Gesetz hält fest, dass ein Schwangerschaftsabbruch – zusätzlich zum Fall, in dem der Schwangerschaftsabbruch notwendig ist, um die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeeinträchtigung der Schwangeren abzuwenden – straflos ist, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau vorgenommen wird. Zusammen mit dieser Vorlage wurde das Krankenpflegeversicherungsgesetz KVG in dem Sinne angepasst, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung OKP bei straflosem Abbruch einer Schwangerschaft die Kosten übernimmt. Diese Lösung ist gesellschaftlich gut verankert. Sie hat sich bewährt. Deshalb gibt es keinen Grund an ihr zu rütteln.