Nationalrats-Kommission stellt Weichen falsch

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Verfasst durch Christina Werder, Zentralsekretärin SGB

Bundesrat und Parlament wollen die Kosten der Grundversicherung eindämmen. Vor Sessionsbeginn haben die vorberatenden Kommissionen die Weichen jedoch falsch gestellt. Einfach die Versicherten zu schröpfen und die Löhne des Personals zu drücken, ist der falsche Weg.

Der Bundesrat hat Ende Mai verschiedene Sofortmassnahmen verabschiedet um die Kosten in der Grundversicherung einzudämmen. Dazu gehört zum Beispiel die Einführung einer Praxisgebühr und des medizinischen Telefondienstes. Und weil die massive Prämienerhöhung mitten in der Krise viele Versicherte besonders hart trifft, will der Bundesrat im Jahr 2010 zusätzliche 200 Millionen Franken an Versicherte in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen ausbezahlen. Weitere Vorschläge kamen von einem überparteilichen Komitee. Das Parlament wird aus all dem in der Herbstsession ein dringliches Bundesgesetz zu verabschieden haben.

Erste Beschlüsse hat nun die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit Ende August 2009 gefällt. Bilanz: Das so beschlossene Paket können die Gewerkschaften nicht unterstützen[1].

Mehr Prämienverbilligung nötig

Die zusätzlichen (und bei weitem nicht genügenden) 200 Mio. Franken Prämienverbilligung hat die Kommissionsmehrheit abgelehnt. Der SGB fordert eine solche im Umfang der Prämienerhöhung (10% Prämienerhöhung bedeuten 2 Milliarden mehr an Prämienverbilligung). Die 1,2 Milliarden Franken, die dem Bund aus dem Verkauf der UBS-Anleihe zugeflossen sind, sollen dafür verwendet werden.

Versicherte werden zur Kasse gebeten

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Praxisgebühr von 30 Franken ist zwar gestrichen. Dieser positive Entscheid darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Versicherte anderweitig zur Kasse gebeten werden: Neu sollen alle Erwachsenen bei einem Spitalaufenthalt pro Tag einen Beitrag zahlen, dessen Höhe der Bundesrat festlegen wird. Bei einem Spitalaufenthalt von einem Monat kann das schnell einmal mehrere hundert Franken ausmachen. Zumindest die Festlegung einer Obergrenze wäre zwingend. Auch lehnte die Kommission ab, die Obergrenze des jährlichen Selbstbehaltes von heute 700 Franken im Gesetz festzuhalten. Dies wäre nötig, soll doch der Selbstbehalt von heute 10 Prozent auf 20 Prozent erhöht werden, dies bei all jenen Versicherten, die den Spezialisten, die Spezialistin direkt aufsuchen.

Löhne unter Druck

Mit einem Eingriff ins Tarifsystem soll erreicht werden, dass die Taxpunktwerte schweizweit nicht mehr als 10 Prozent auseinanderliegen. Es ist davon auszugehen, dass man sich an den tiefsten Taxpunktwerten orientieren wird, was in gewissen Kantonen zu ruinösen Taxpunktwert-Senkungen führen wird. Zu spüren bekämen das nicht nur die Grundversorger sondern auch das Personal in den Spitalambulatorien. Die Problematik gewinnt zusätzlich an Brisanz, weil auf den 1. Januar 2012 die Finanzierung der stationären Spitalversorgung auf Fallkostenpauschalen umstellen wird. Hier gibt es ebenfalls starke Bestrebungen, die Tarife nach dem schweizweit günstigsten Spital auszurichten. Solche Systeme sind sowohl für den ambulanten wie den stationären Bereich zu verhindern. Sie würden lediglich den Druck auf das Gesundheitspersonal erhöhen.

Freie Arztwahl ade?

Aufgehoben werden soll auch die freie Arztwahl. Nach dem Willen der Kommission werden schon bald die Kassen über den Hausarzt, die Hausärztin entscheiden. Sie sollen entscheiden dürfen, mit welchem Arzt, mit welcher Ärztin sie zusammenarbeiten wollen. Der Beschluss führt zum Kassendiktat. Und genau das haben die Stimmberechtigten am 1. Juni 2008 deutlich abgelehnt

Persönliche Gesundheitsstelle PGS

Heisst das: Kosten lenken und Kosten dämpfen sind gar nicht möglich? Überhaupt nicht. Eine breite Allianz von Fach- und Berufsverbänden aus dem Gesundheitsbereich sowie des SGB haben ein Modell entwickelt und bei der zuständigen Kommission als Vorschlag im Rahmen der Managed-Care-Vorlage eingereicht. Die Beratungen zu dieser Vorlage in der nationalrätlichen Kommission sind noch hängig. Im Zentrum steht die Persönliche Gesundheitsstelle PGS: Diese stellt die hausärztliche Grundversorgung sicher, stimmt die Versorgungsleistungen optimal aufeinander ab und leistet damit einen Beitrag zur Kostenlenkung und -dämpfung[2]


[1] Noch nicht bekannt sind die Beschlüsse der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Sie wird die Vorlage erst nach Redaktionsschluss dieses Newsletters 2009 beraten. 

[2] Hinweis: Die neueste Ausgabe der Zeitschrift Widerspruch widmet sich der Gesundheitspolitik und enthält u.a. einen Beitrag von Christine Goll zur Persönlichen Gesundheitsstelle: WIDERSPRUCH Heft 56, Krankheit/Gesundheit, 240 S., Fr. 25.-. Im Buchhandel oder bestellen bei: vertrieb(at)widerspruch.ch. Siehe auch: www.widerspruch.ch

 

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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