Reto Wyss
 

Nationalrat will unhaltbare EL-Kürzungen

  • Ergänzungsleistungen
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Verfasst durch Reto Wyss

Kleine Kammer muss korrigieren

Unverständlich: die Reform der Ergänzungsleistungen (EL) wurde im Nationalrat zu einer fast reinen Abbauvorlage umgebaut. Der Ständerat muss nun zwingend Gegensteuer geben.

Der SGB nimmt die vom Nationalrat verabschiedete Revision der Ergänzungsleistungen mit Unverständnis zur Kenntnis. Die grosse Kammer hat es verpasst, dem bundesrätlichen Ziel des Leistungserhaltes auch nur annähernd gerecht zu werden. Obwohl die ursprünglich separate, dringend nötige Vorlage zur Erhöhung der Mietzinsmaxima mit der EL-Vorlage verknüpft wurde, kommen nun unter dem Strich Nettoeinsparungen von jährlich mindestens 900 Millionen raus.

Voll auf Abbaukurs

Als unverzichtbarer Teil der durch die Verfassung vorgegebenen Existenzsicherung in der 1. Säule darf die EL nicht in die Bittstelllogik der Sozialhilfe abrutschen. Mit der geplanten Lebensführungskontrolle, d.h. harten Regeln zur erlaubten Verbrauchshöhe und dem Verwendungszweck bescheidener kleiner Vermögen, droht aber genau dies. Der dabei zulässige Vermögensfreibetrag wurde vom Nationalrat mit 25 000 Franken (Einzelpersonen) viel zu tief angesetzt. Damit könnten insbesondere viele HeimbewohnerInnen die real anfallenden persönlichen Auslagen in etlichen Kantonen kaum mehr stemmen.

Für den SGB ebenfalls unverständlich sind die beschlossenen Kürzungen bei der Übernahme der Krankenkassenprämien. Die Senkung der EL-Mindesthöhe von bis zu 40% wird zunächst dazu führen, dass die betroffenen Versicherten umso früher auf mehr Mittel angewiesen sein werden. Darüber hinaus dürfte diese Massnahme jedoch auch den kantonalen Wettlauf bei den Kürzungen der Prämienverbilligungen neu anheizen. Darunter leiden werden mit den stetig steigenden Prämien neben den EL-EmpfängerInnen sämtliche Haushalte in bescheidenen Verhältnissen. Noch schwerer wiegt hingegen der Entscheid des Nationalrates, die EL-Prämienerstattung künftig nach den jeweiligen kantonalen Richtprämien zu bemessen. Die Richtprämie liegt allerdings in praktisch allen Kantonen deutlich unter der heute angewandten Durchschnittsprämie - im Durchschnitt beträgt die Differenz 30%!

Mieten: Wende um 360 Grad

Doch damit leider nicht genug: Die längst überfällige Anpassung der Mietzinsmaxima - also die Erhöhung der durch die EL maximal übernommenen Mieten - wurde vom Nationalrat nicht nur abgeschwächt, sondern faktisch gestrichen. Die Mieten sind seit 2001 (dem Jahr der letzten Anpassung) um 24% gestiegen, die Mietzinsmaxima sollen nun durchschnittlich um nicht einmal 5% anwachsen. Dies allerdings mit einer Hintertür für die Kantone, die neuen Beträge pauschal um 10% zu kürzen. In ihrer Kombination führen diese beiden Massnahmen zu einem durchschnittlichen Rückgang (!) der Mietzinsmaxima um bis zu 6%! Was dabei nicht vergessen werden darf: höhere Mietzinsmaxima brächten insbesondere für die Kantone spürbare Entlastungen, weil damit teure Heimeintritte verhindert werden können. Dies trifft umso mehr auf die Form des betreuten Wohnens zu, welcher der Nationalrat eine zunächst vorgesehene Unterstützung von 90 Millionen ebenfalls verweigert hat.

Positiv: ältere Arbeitslose können in PK bleiben

Aus gewerkschaftlicher Sicht sehr positiv ist einzig die beschlossene Möglichkeit des Pensionskassenverbleibs von Arbeitslosen über 58 Jahren. Dieser Entscheid weist auch im Hinblick auf die zu verhandelnde BVG-Revision in die richtige Richtung. Was die berufliche Altersvorsorge betrifft, muss zudem allen pensionierten Versicherten weiterhin die Möglichkeit des Kapitalbezugs offenstehen. Das von Bundesrat und Ständerat vorgesehene Kapitalbezugsverbot wurde zum Glück vom Nationalrat wieder gekippt - dies allerdings ergänzt um die inakzeptable Sanktion einer pauschalen 10%-Kürzung der jährlichen EL im Falle eines Kapitalbezugs.

Im Ständerat sind nun massive Korrekturen nötig. Die StandesvertreterInnen dürfen nicht zulassen, dass die Existenzsicherung im Alter und bei Invalidität so massiv beschnitten wird. Dies auch deshalb, weil es längerfristig wieder die Kantone wären, die über steigende Sozialhilfeausgaben den Ausgleich schaffen müssten.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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