Der Abbau von Fehlanreizen und ineffizienten Strukturen auf der Leistungsseite ist richtig. Eine soziale Finanzierung - im europäischen Umland Standard - bleibt aber absolut vordringlich.
Ende Oktober hat der Bundesrat den breit erwarteten Expertenbericht zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen vorgestellt. Seither wird viel über die darin enthaltenen, zumeist angebotsseitigen Massnahmen diskutiert. Dies völlig zu Recht, denn der Bericht geht in der Grundversicherung von einem Einsparpotenzial ohne Qualitätseinbussen von 20% der Kosten aus. Die Zahl scheint hoch, doch selbst wenn es nur 15% wären, hätten wir uns damit vier Jahre Prämienerhöhung gespart.
Gesundheitskosten: Schweiz am unsozialsten
Und hier liegt auch weiterhin das Hauptproblem. Unabhängig davon, was kostenseitig eingespart werden kann: die Finanzierung des Schweizer Gesundheitswesens bleibt hochgradig unsozial. Die neueste Zahl dazu liefert der jährlich erscheinende OECD-Gesundheitsbericht. Dieser setzt die Schweiz mit einer privaten Kostenbeteiligung von 5.3% des durchschnittlichen Haushaltsbudgets an die einsame Spitze (Durchschnitt OECD: 3.0%). Jene 5.3% beinhalten nicht nur die Kostenelemente Franchise, Selbstbehalt, Pflegekostenbeteiligung und Spitalpauschale, sondern beispielsweise auch sämtliche Kosten für Zahnbehandlungen. Im OECD-Ausland sind diese meist Teil des versicherungsfinanzierten Leistungskatalogs.
Vorsicht: Die Schweiz erreicht diesen Spitzenrang in der Kostenbeteiligung noch gänzlich ohne Berücksichtigung der Grundversicherungsprämien - bei uns Kopfprämien, im europäischen Ausland einkommensabhängige Lohnabgaben oder gar progressiv erhobene Steuermittel.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass bei uns 2016 laut demselben Bericht 21% der Bevölkerung aus Kostengründen auf mindestens eine Behandlung verzichtet hat (Rang 3). Es ist fast zynisch, dahinter nur zu Recht vermiedene Bagatellfälle zu vermuten, wie es die Versicherungslobby teilweise tut. Zudem stellt sich die Frage, ab welchem Punkt sich Leistungsverzicht auch kostenseitig rächt.
Prämienverbilligung: Trend kehren
Das einzige Instrument zur direkten Korrektur der unsozialen Finanzierung bleiben zurzeit die Prämienverbilligungen. Dies jedoch in einem immer kleineren Umfang: 2007 bis 2016 haben die Kantonsbeiträge an den Prämienverbilligungen in neun Kantonen abgenommen, während die Prämien real um 40% zunahmen! Neueste Sparmassnahmen - wie in den Kantonen Bern, Solothurn oder Aargau beschlossen - sind hier noch nicht beinhaltet; ganz zu schweigen vom Kanton Luzern, der von bedürftigen Personen bereits ausbezahlte Verbilligungen zurückverlangt.
Es ist überfällig, bei den Prämienverbilligungen das Steuer herumzureissen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die eingangs erwähnten kostenseitigen Massnahmen zu einer Verlagerung von Behandlungen vom stationären in den ambulanten Bereich und damit tendenziell zu einem Prämienschub führen werden (ambulante Leistungen werden zu 100% durch die PrämienzahlerInnen getragen).
Der SGB fordert, dass die Prämienlast der Haushalte auf maximal 10% des Nettoeinkommens begrenzt wird - solidarisch getragen durch den Bund und die Kantone.