Der Jahresbericht der Oberaufsicht über die 2. Säule bestätigt die Analyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds und zeigt die schwierige Situation der beruflichen Vorsorge klar auf: Immer mehr Versicherte mussten immer mehr in die 2. Säule einzahlen, während gleichzeitig die in Aussicht gestellte Rente sank. Das zukünftige Rentenniveau hat sich laut OAK in den letzten vier Jahren um durchschnittlich rund 11% verschlechtert. Die Ursache für die ständig schlechteren Renten der zweiten Säule sind die Probleme des Kapitaldeckungsverfahrens bei tiefen Zinsen auf den Kapitalmärkten. Dies wirkt sich negativ auf das Alterskapital aus und trägt bei zu sinkenden Neurenten. Die versicherten Erwerbstätigen zahlen somit einen hohen Preis für die Spätfolgen der Finanzkrise.
Auffällig ist auch, dass die Anzahl Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung massiv zugenommen und sich im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht hat. Die Unterdeckungen betreffen nicht nur rund 10 % des gesamten Vorsorgekapitals der 2. Säule sondern vor allem auch ca. 15 % aller Versicherten - welche potenziell über Sanierungsmassnahmen noch einmal zur Kasse gebeten werden könnten.
Die Verfassung setzt in Sachen Vorsorge klare Ziele. An diesen muss sich die Schweizer Politik orientieren: die Renten aus AHV und zweiter Säule sollen die "Fortsetzung des gewohnten Lebens in angemessener Weise" ermöglichen. Für den SGB ist klar: wenn kein Gegensteuer gegeben wird und die Rentenhöhe für künftige RentnerInnen wegen der schlechten Lage der zweiten Säule stetig sinkt, droht eine sozialpolitische Bombe. Die immer reicher werdende Schweiz kann und muss sich eine gute und solide finanzierte Altersvorsorge leisten. Die historisch einmalige Tiefstzinsphase darf nicht dazu führen, dass das bei einer Mehrheit der Versicherten ohnehin bescheidene Rentenniveau sinkt. Deshalb braucht es eine Stärkung der AHV. Ausserdem müssen die Erträge der Nationalbank aus den Negativzinsen zurück in die Altersvorsorge der Versicherten fliessen.
Die 2. Säule ist heute aber nicht nur durch die Tiefstzinsen geschwächt. Auch die Oberaufsichtskommission stellt fest, dass die komplexen Strukturen der stetig an Bedeutung gewinnenden Sammelstiftungen Risiken für die Versicherten bergen. Viele neue Sammelstiftungen entsprechen nicht den erforderlichen Transparenz- und Governance-Bestimmungen. Und sie werden nur ungenügend beaufsichtigt. Die berufliche Vorsorge ist mehr denn je geprägt durch einen unkontrollierten Wettbewerb sowie Geldabflüsse in Milliardenhöhe an Versicherer, Vermögensverwalter und Broker. Die Gewinne dieser Akteure mit dem Geld der Versicherten sind systemfremd - und bei sinkenden Renten besonders stossend. Deshalb braucht es stärkere Gewinneinschränkungen und Aufsichtsbehörden sowie Transparenz in Bezug auf die Verwaltungskosten. Zur Verbesserung des Preis-Leistungsverhältnisses sollte ausserdem die Umlagekomponente im BVG gestärkt werden. Nur so können Reformen der 2. Säule auf Akzeptanz stossen.
Auskünfte:
- Gabriela Medici, SGB-Zentralsekretärin zuständig für Sozialpolitik, 079 242 65 43
- Thomas Zimmermann, Leiter Kommunikation SGB, 079 249 59 74