Die IV kommt nicht zur Ruhe. Obschon die Ausgaben seit Jahren am Sinken sind, ist der Leistungsabbau noch nicht ausgestanden. Das zeigt die IV Revision 6b, die sich in der Differenzbereinigung befindet. Vom Ständerat droht eine harte Linie.
Der Ständerat wird in der Frühjahrsession über die IV beraten. Der Nationalrat liess in der letzten Session Augenmass walten und verbesserte die Revisionsvorlage in wesentlichen Punkten. Nun liegt es am Ständerat hier gleichzuziehen. Die Vorzeichen stehen aber dafür nicht allzu positiv. Zwar hat die vorberatende Kommission ebenfalls beschlossen, die umstrittenen Kürzungen der Kinderrenten und der Reisekosten aus der Vorlage auszuklammern, aber sie hält an weiteren drastischen Leistungsverschlechterungen fest.
Ständeratskommission: ganze Rente erst ab 80%
Im Rahmen des neuen stufenlosen Rentensystems ging der Nationalrat davon aus, dass ein Invaliditätsgrad von 70 Prozent wie heute Anspruch auf eine ganze IV-Rente geben sollte. Damit nahm er die berechtigten Einwände wahr, dass Schwerinvalide ihre Resterwerbsfähigkeit von 20 oder 30 Prozent in der Regel gar nie ausüben können. Schwerinvalide haben kaum Chancen, eine ihren gesundheitlichen Problemen entsprechende Teilzeitanstellung von rund einem Tag pro Woche zu finden.
Die zuständige Kommission des Ständerats schlägt hingegen vor, dass erst ein Invaliditätsgrad von 80 Prozent zu einer ganzen Rente führen sollte. Das Plenum des Ständerats darf an dieser Leistungsverschlechterung nicht festhalten. Denn ansonsten drohen Renteneinbussen für die betroffenen Schwerinvaliden von rund Fr. 500 pro Monat.
Kein Automatismus um Renten einzufrieren
Einen Rückschritt gegenüber dem Nationalrat will der Ständerat auch bei der Finanzierung der IV machen. Die IV-Revisionsvorlage beinhaltet einen sogenannten Interventionsmechanismus. Hinter diesem Titel versteckt sich ein perfider Ablauf. Bei einem bestimmten Stand der IV-Finanzen treten automatische Leistungsverschlechterungen und höhere Lohnbeiträgen in Kraft. Die ohnehin schon tiefen IV Renten – die durchschnittliche IV-Rente beträgt rund Fr. 1600 – sollen nicht mehr der Teuerung und der Lohnentwicklung angepasst werden. Gleichzeitig würden auch die Lohnbeiträge an die IV steigen. Dies ohne jede Gesetzesanpassung, ohne jede demokratische Mitsprache. Für den SGB ist ein solcher technokratischer Sozialabbau ein Angriff auf das erfolgreiche schweizerische Sozialversicherungssystem und steht quer zu unserem direkt-demokratischen Staatsverständnis.
Zuerst die IV, dann die AHV
Immerhin hat der Nationalrat die Brisanz des Vorschlages erkannt und hat den Interventionsmechanismus abgelehnt. Der Ständerat möchte hingegen daran festhalten. Dabei schielt er auch schon auf die AHV. Denn im Rahmen der Reformen Altersvorsorge 2020 sollen ebenfalls automatische Leistungskürzungen für die AHV eingeführt werden. Mit einem Interventionsmechanismus werden Leistungskürzungen auf Vorrat eingeführt. Weil sie nicht sofort greifen, sondern unter der Bedingung einer bestimmten Finanzlage stehen, treffen sie die Rentnerinnen und Rentner nicht direkt und sind daher mehrheitsfähiger. Der SGB hat aber dieses Spiel durchschaut. Er lehnt präventive automatische Rentenkürzungen oder Rentenaltererhöhungen dezidiert ab. Es gibt in der Schweiz keinen Platz für Technokratie. Dies muss auch die kleine Kammer anerkennen – und deshalb auf den Interventionsmechanismus bei der IV verzichten.