IV braucht verbindliche berufliche Integration und gesicherte Finanzierung

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Verfasst durch Doris Bianchi

Der SGB zur Weiterentwicklung der Invalidenversicherung: Der Bund darf sich nicht von seinen finanziellen Verpflichtungen zurückziehen

Der Revisionsmarathon bei der Invalidenversicherung (IV) geht weiter. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist klar: Jetzt muss die Ära der Lippenbekenntnisse der Arbeitgeber bei der beruflichen Integration endlich ein Ende finden. Und der Bund darf sich nicht von seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der IV zurückziehen. Nur so ist eine Weiterentwicklung der IV möglich.

Anfang Dezember hat der Bundesrat seine Vorschläge zur Weiterentwicklung der IV in die Vernehmlassung geschickt. Anders als bei den vorgängigen Revisionen stehen gemäss seinen Aussagen diesmal aber nicht die Sparmassnahmen im Vordergrund. Zu Recht, denn weitere Leistungsverschlechterungen könnten die IV-Versicherten nach der Rosskur der letzten Revisionen nicht verkraften.

Drohende Leistungsverschlechterungen

Bei näherer Betrachtung der Vorlage, zeigt sich aber, dass auch in dieser Revision Leistungsabbau droht. Zum Beispiel bei der Einführung eines stufenlosen Rentensystems. Hier sieht eine Variante vor, dass eine volle IV-Rente zukünftig erst ab einem Invaliditätsgrad von 80 Prozent und nicht wie bis anhin 70 Prozent ausgerichtet werden soll. Eine solche Erhöhung des für die Zusprache einer vollen Rente nötigen Invaliditätsgrads ist in den Augen des SGB eine reine Sparübung auf dem Buckel von Schwerinvaliden. Zu meinen, damit werde die Erwerbsbeteiligung gefördert, ist ein Irrglaube. Denn der Arbeitsmarkt bietet keine Stellen für Schwerinvalide mit einer geringen Resterwerbsfähigkeit an. Für prognostizierte Einsparungen von jährlich 95 Millionen Franken werden die IV-RentnerInnen in finanzielle Nöte gebracht und letztlich noch stärker in die Ergänzungsleistungen gedrängt. Das ist reine Verlagerungstaktik und unverantwortlich gegenüber den Schwerinvaliden und den Ergänzungsleistungen.

Auch die vorgeschlagenen Neuregelungen bei den Taggeldern sind nicht kostenneutral. Die Einsparungen belaufen sich auf bis zu 51 Millionen Franken pro Jahr. Immerhin aber möchte der Bundesrat die berufliche Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark fördern.

Auswirkungen auf das Leistungsniveau dürften auch die Anpassungen bei den medizinischen Leistungen bei Geburtsgebrechen haben. Hier schlägt der Bundesrat eine stärkere Anlehnung an die Krankenversicherung vor. Zudem dürften allenfalls bisher anerkannte Geburtsgebrechen künftig aus der Geburtsgebrechenliste herausfallen (z.B. Zahnfehlstellungen).

Keine verbindlichen Massnahmen bei der beruflichen Integration

Die Ausrichtung dieser Revision auf Früherfassung und Integrationsmassnahmen für Jugendliche und junge psychisch erkrankte Versicherte ist aus Sicht des SGB angezeigt. Der Länderbericht der OECD zur psychischen Gesundheit und Beschäftigung in der Schweiz deckte einige Schwachstellen im Bereich der Übergänge von der Schule in die Ausbildung auf. Die nun in der Vorlage vorgeschlagenen Massnahmen für Jugendliche sind zu begrüssen. Sie sind jedoch kompliziert ausgestaltet. Vermisst werden zudem Angebote zur Vermeidung oder Begleitung von Schulabbrüchen.

Die Vernehmlassungsvorlage enthält zusätzliche neue Integrationsinstrumente. Arbeitgeber sollen weitere Anreize zur Beschäftigung von Invaliden erhalten. Doch nicht alle Massnahmen vermögen zu überzeugen. So ist etwa die Förderung des Personalverleihs eine Massnahme, die der SGB skeptisch beurteilt.

An Anreizen für die Beschäftigung von Invaliden mangelt es schon heute nicht. Dennoch bleiben die Integrationsleistungen der Arbeitgeber deutlich hinter den Erwartungen zurück. All die im Rahmen der IV-Revision 6a abgegebenen Versprechen der Arbeitgeberseite, für die Integration der IV-RentnerInnen auch ohne verbindliche Beschäftigungsquote zu sorgen, wurden nicht eingehalten. Entsprechend vermisst der SGB in dieser Vorlage griffige Vorgaben für die Beschäftigung von Invaliden. Auf Anreize alleine zu setzen genügt offensichtlich nicht. Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung ist die Möglichkeit, Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen Bund und Sozialpartnern abzuschliessen. Mit solchen Vereinbarungen, die sich an bestehenden Modellen in der Westschweiz orientieren, sollen auch Zielvorgaben gemacht sowie sozialpartnerschaftliche Massnahmen und Instrumente von der IV finanziell unterstützt werden.

Die Sparmassnahmen des Bundes destabilisieren die IV

Die vorgeschlagene Weiterentwicklung der IV - namentlich im Bereich Verbesserung der beruflichen Eingliederung - erscheint nur umsetzbar, wenn der IV auch genügend Mittel zur Verfügung stehen. Doch gerade auf der Finanzierungsseite droht ein massiver Einbruch. Der Bundesrat will im Rahmen seines als "Stabilisierungsprogramm 2017-2019" bezeichneten Sparprogramms die IV destabilisieren: Er schlägt vor, den Bundesanteil an die IV zu reduzieren. Damit gingen der IV bereits ab 2018 über 60 Millionen Franken pro Jahr verloren. Angesichts der auslaufenden IV-Zusatzfinanzierung per Ende 2017 und der Pflicht, die IV-Schulden beim AHV-Fonds zu begleichen, ist die IV zwingend auf die Bundeseinnahmen angewiesen. Für den SGB ist deshalb eine solche Destabilisierungsmassnahme nicht hinnehmbar. Sie hintertreibt die Entschuldung der IV und würde damit auch die AHV schwächen.

Zuständig beim SGB

Gabriela Medici

stv. Sekretariatsleiterin

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Gabriela Medici
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