Immer noch wichtige Differenzen, immer noch Gefahren!

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Verfasst durch Christina Werder, SGB-Zentralsekretärin

Managed Care steht auch diese Session wieder auf der Traktandenliste. Beide Räte befassen sich mit der Vorlage, zuerst am 3. März der Nationalrat, dann am 9. März – falls er den knappen Zeitplan schafft – der Ständerat. Die Differenzen sind gewichtig. Deshalb ist offen, ob es noch in dieser Session zur Schlussabstimmung kommt.

Erinnern wir zuerst daran: Mit der Managed Care-Vorlage soll die integrierte Versorgung gefördert werden. Managed Care bedeutet medizinische Versorgung via Netzwerke und verhindert so Parallelbehandlungen. Sie dämpft auf diese Weise das Kostenwachstum, was sich denn auch in den Prämien auswirken sollte. An und für sich also etwas Sinnvolles. Das Parlament jedoch hat in seiner bisherigen Behandlung mehrere Fallgruben in die Vorlage eingebaut.

Angebotspflicht

Keine Verpflichtung der Kassen! Das ist das Credo des Ständerates. Die nationalrätliche Kommissionsmehrheit hingegen will daran festhalten, dass alle Krankenversicherungen integrierte Versorgungsnetzwerke anbieten und dass diese kassenunabhängig organisiert sein müssen. Für den SGB sind Angebotspflicht und Kassenunabhängigkeit wichtige Eckwerte.

Differenzierter Selbstbehalt

Ein zentraler Punkt der Vorlage ist die Regelung des Selbstbehaltes. Da gehen die Meinungen nach wie vor auseinander. Heute beträgt der ordentliche Selbsthalt 10% bzw. 700 Franken im Jahr. Mit der Managed Care Vorlage soll ein differenzierter Selbstbehalt eingeführt werden. Versicherte, die sich einem integrierten Versorgungsnetz anschliessen, sollen einen tieferen Selbstbehalt haben als jene, die weiterhin z.B. ihren Hausarzt, ihre Hausärztin frei wählen möchten. Die nationalrätliche Kommissionsmehrheit hat sich dem Konzept des Ständerates angeschlossen, aber den Prozentsatz von 5 auf 7.5% erhöht. Das würde bedeuten, Versicherte in integrierter Versorgung zahlen 7.5%, alle andern 15 % Selbstbehalt. Auch will die nationalrätliche Kommissionsmehrheit keinen jährlichen Höchstbetrag für den Selbstbehalt im Gesetz verankern. Eine Kommissionsminderheit will den Selbstbehalt auf 5% belassen, die Obergrenze in Franken im Gesetz verankert haben und die Anpassung des Höchstbetrages nicht der Kostenentwicklung im Bereich der Krankenversicherung sondern der Lohn- und Preisentwicklung anpassen. Eine zweite Kommissionsminderheit will an der ursprünglichen Position des Nationalrates festhalten und einen Selbstbehalt von 10% für Versicherte in integrierten Versorgungsnetzen und 20% für alle andern festschreiben. 

Für den SGB ist ein differenzierter Selbstbehalt nur dann sinnvoll, wenn die Angebotspflicht eingeführt wird. 

Knebelverträge und Austrittshürden

Hier geht es darum, dass die Versicherten von den Kassen mit Verträgen von einer Laufzeit von bis zu drei Jahren an integrierte Versorgungsnetze gebunden werden. Die Kasse und die Versicherungsform können vor Ablauf der Vertragsdauer nur gegen Bezahlung einer vertraglich vereinbarten Austrittsprämie gewechselt werden. Die Kassen haben freie Hand, diese Austrittsprämie in beliebiger Höhe anzusetzen.

Eine Kommissionsminderheit wird im Nationalrat den Antrag stellen, diese Knebelverträge und Austrittshürden zu streichen. Die Kommissionsmehrheit stützt wie der Ständerat die mehrjährige Vertragsdauer genauso wie die hohen Austrittshürden. So sind sich etwa beide Räte einig, dass die Versicherten in integrierten Versorgungsnetzten mit Vertragsdauern von bis zu 3 Jahren rechnen müssen. Umstritten sind jedoch zahlreiche einzelne Bestimmungen und Erleichterungen zu Kassenwechsel und Austrittshürden. 

Für den SGB sollen Austrittsprämien und Knebelverträge möglichst eliminiert werden.

Qualität und Budgetmitverantwortung

Keine Differenz besteht mehr bei den Anforderungen an die Qualität der integrierten Versorgungsnetze und an den Umfang der Budgetmitverantwortung. Geeinigt haben sich die Räte darauf, dass der Bundesrat Anforderungen dazu stellen kann, nicht aber muss. Eine Kommissionsminderheit verlangt hier eine zwingende Bestimmung. Auch für den SGB liegt dies im Interesse aller Versicherter.

Übergangsbestimmungen als Hintertür 

Der Ständerat hat alle Übergangsbestimmungen gestrichen. Die nationalrätliche Kommission besteht jedoch auf dem Beschluss der grossen Kammer von 2010. Gemäss diesen Bestimmungen müssen die Versicherer innert drei Jahren überall integrierte Versorgungsnetzte anbieten. Sollte sich zeigen, dass kein flächendeckendes Angebot zustande gekommen ist, muss der Bundesrat weitere Massnahmen vorschlagen. So weit so gut. Doch die nationalrätliche Kommission hat diese Bestimmung nun wieder in ihr Gegenteil verkehrt. Sie will – falls in den drei Jahren kein flächendeckendes Netz zustande gekommen ist - die Angebotspflicht und die Bestimmungen, wonach integrierte Versorgungsnetze kassenunabhängige Organisationen sein müssten, fahren lassen. Anders gesagt: Die Kassen würden aus ihrer Pflicht entlassen, bleiben würde der differenzierte Selbstbehalt, die Knebelverträge und die Austrittshürden sowie die Budgetmitverantwortung! So geht es natürlich nicht!

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss
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