In diesen Wochen gerät die Finanzierung der AHV immer mehr ins Zentrum der öffentlichen Debatte über die Altersvorsorge. Weil nach dem schlechten Anlageresultat des letzten Jahres nun auch das negative Gesamtergebnis der AHV im Jahr 2018 bekannt gegeben wird. Treiber der Debatte ist auch die Abstimmung über das AHV-Steuerpaket (STAF) vom 19. Mai. Zeit für eine Standortbestimmung:
Für Bundesrat Alain Berset ist die nächste AHV-Reform dringend notwendig und die Anhebung des Frauenrentenalters unvermeidbar, unabhängig vom Ausgang der Abstimmung im Mai. Der SGB stimmt dem Bundesrat nur darin zu, dass die AHV in den nächsten Jahren mehr Geld braucht und in diesem Sinne ist eine Reform notwendig. Der Bundesrat verkennt aber, dass die Erhöhung des Frauenrentenalters einer der Hauptgründe für das Scheitern der letzten Reform war. Der SGB lehnt eine Angleichung der Rentenalter ab. Weil die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht mit jener der Männer vergleichbar ist. Zudem ist die Diskussion über eine Erhöhung des Rentenalters ohnehin müssig, solange es für ältere Arbeitnehmende schwierig bleibt, nach einem Stellenverlust zwischen 50 und 60 wieder eine Arbeitsstelle zu finden. Gerade bei den Frauen hat der Arbeitsmarkt die Herausforderung noch lange nicht gemeistert, möglichst vielen eine Beschäftigung bis zum ordentlichen Rentenalter zu ermöglichen.
Klares Nein zum höheren Frauenrentenalter
Neben dem SGB haben alle linken Parteien sowie sämtliche Frauenverbände und mehrere Westschweizer Kantone im Vernehmlassungsverfahren klar signalisiert, dass sie die Anhebung des Frauenrentenalters ablehnen. Auch alle jüngeren Umfragen zur Thematik bestätigen: Die Erhöhung des Frauenrentenalters ist nicht mehrheitsfähig (vgl. CS-Sorgenbarometer vom Dezember 2018; gfs.bern-Umfrage vom Sommer 2018). Der Bundesrat sollte sich genau überlegen, ob er die nächste Reform wieder mit der Hypothek der Frauenrentenaltererhöhung belasten will. Dahingehende Äusserungen im Vorfeld der STAF-Abstimmung wirken in diesem Zusammenhang besonders polemisch.
Solide Finanzierung der AHV
Die AHV ist eine Wohltat für die Schweiz. Für die grosse Mehrheit der Bevölkerung ist die AHV im Rentenalter der wichtigste Einkommensbestandteil. Anders als die sinkenden Pensionskassenrenten für NeurentnerInnen werden die ausbezahlten AHV-Renten weiterhin regelmässig der Lohn- und Teuerungsentwicklung angepasst. Obwohl die AHV grundsätzlich solide aufgestellt ist, braucht sie im nächsten Jahrzehnt vorübergehend zusätzliches Geld., denn die so genannte Babyboomer-Generation lässt die Anzahl RentnerInnen zurzeit überdurchschnittlich ansteigen. Letztes Jahr dürfte die AHV insgesamt rund 2,5 Mrd. Fr. verloren haben. Während der nächsten zehn Jahre werden die Umlage-Defizite anhalten.
Über eine mögliche Finanzierungsquelle werden die Stimmberechtigten am 19. Mai 2019 entscheiden: Im Rahmen des AHV-Steuerpakets will das Parlament der AHV jährlich 2 Mrd. Franken zusätzlich zuführen. Und zwar über eine leichte Anhebung der Lohnpromille und eine Erhöhung der Bundesmittel. Dies in der Logik des bewährten und äusserst sozialen Finanzierungsmodells der AHV. Die Beiträge des Bundes und die Erhöhung der Lohnbeiträge würden dazu führen, dass sich Firmen und hohe Einkommen stärker an der AHV-Finanzierung beteiligen, als durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie im Rahmen der AHV-Revision geplant. Denn die 800 Mio. Fr., die der Bund aus seiner Kasse beisteuern würde, kommen grösstenteils aus Steuereinnahmen. Und die Lohnprozente sind nicht nur beim Arbeitgeberanteil positiv. Die obersten zehn Prozent der Löhne zahlen fast ein Drittel der AHV-Beiträge. Die AHV-Renten sind aber plafoniert. Dies hat zur Folge, dass 92 Prozent der Versicherten mehr aus der AHV erhalten, als sie einzahlen.
Erste Säule stärken
Bei einer Annahme der STAF-Vorlage würde ausserdem die langjährige gewerkschaftliche Forderung erfüllt und das 1999 eingeführte Mehrwertsteuer-Demografieprozent endlich vollständig in die AHV fliessen. Zurzeit sind es nur 0,83 Prozent. Die mit STAF vorgesehenen Zusatzeinnahmen decken den finanziellen Zusatzbedarf der AHV bis Mitte der 2020er Jahre sicher. Das verschafft Zeit und erleichtert unseren Kampf gegen Verschlechterungen bei der Altersvorsorge. Diese AHV-Zusatzfinanzierung ist leider mit der vor allem wegen der bei den Kantonen und Gemeinden zu erwartenden Steuerausfälle umstrittenen Steuerreform verknüpft.
Für den SGB steht unabhängig vom Resultat der Abstimmung im Mai im Vordergrund, dass das wichtigste Sozialwerk der Schweiz auch während der Babyboomer-Beule gut finanziert ist. Und dass der Finanzierungsbedarf in der 1. Säule solidarisch zwischen allen Altersgruppen und Einkommen aufgeteilt wird. Sowohl die Arbeitgeber als auch der Bundesrat machen bereits heute Druck, die AHV-Leistungen abzubauen. Sei es mit einem höheren Rentenalter, sei es mit einem Angriff auf den Teuerungsausgleich (Mischindex). Das ist angesichts des für breite Bevölkerungsschichten bereits heute bescheidenen Rentenniveaus nicht haltbar. Umso mehr als die Pensionskassenrenten für NeurentnerInnen sinken und die AHV-Renten trotz regelmässigen Erhöhungen immer mehr der Lohnentwicklung hinterherhinken.
Deshalb ist klar: eine Erhöhung der AHV-Renten ist dringend nötig, um den künftigen RentnerInnen ein anständiges Rentenniveau zu sichern. Sonst droht die Altersarmut wieder um sich zu greifen. Der SGB arbeitet dazu eine Initiative für eine 13. AHV-Rente aus.