Der Ständerat hat es in der Sommersession in der Hand, den massiven Sozialabbau des Nationalrates bei den Ergänzungsleistungen aufzuhalten.
Der Arbeitgeberverband spricht beständig von einer "Kostenexplosion" bei den Ergänzungsleistungen (EL). Damit nimmt er erstens mit Blick auf die Vergangenheit die Funktionsweise der sozialen Sicherung in der Schweiz nicht zur Kenntnis. Und er erzählt zweitens– was die Zukunft betrifft – die Unwahrheit.
Zur vergangenen Entwicklung: Trotz massiver Sparmassnahmen insbesondere bei der IV, ist es dank den EL gelungen, dem Verfassungsgebot der existenzsichernden Renten einigermassen gerecht zu werden. Heute sind 46% der IV-RentnerInnen zusätzlich auf Ergänzungsleistungen angewiesen und das Parlament ist gut beraten, dies im Rahmen der IV-Revision entsprechend zur Kenntnis zu nehmen: Es gibt keinen Spielraum nach unten.
Zur künftigen Entwicklung: Will man nicht endlich die 1. Säule stärken, müsste man den Leuten schon das Altern verbieten, um die prognostizierte Zunahme der EL-Ausgaben in den nächsten Jahren aufzuhalten. Denn diese lässt sich zum allergrössten Teil auf die demografische Entwicklung zurückführen. Wer hier kürzen will, der verletzt die Verfassung und trifft insbesondere die Frauen, die mehr als zwei Drittel der AHV-RentnerInnen mit EL ausmachen.
Dazu kommt: Obwohl die Babyboomer ins Pensionsalter kommen, ist die bis 2030 prognostizierte jährliche Ausgabensteigerung bei den EL mit 2.5% alles andere als eine "Kostenexplosion". Bei einem Potenzialwachstum der Wirtschaft von 1.7% und einer normalisierten Inflation von 1% (geltende Annahmen aus dem Finanzplan des Bundes) bleibt von einem realen Kostenwachstum rein gar nichts mehr übrig. Das sollte auch der Arbeitgeberverband zur Kenntnis nehmen.
Die zuständige Ständeratskommission jedenfalls hat es, Sie zeigte sich bei der Beratung der EL-Revision verständig und korrigierte die vom Nationalrat ausgerichtete Kürzungsorgie zu grossen Teilen: Die Mietzinsmaxima sollen deutlich erhöht werden, BVG-Kapitalbezüge sind weiterhin sanktionsfrei möglich und die Höhe der Erstattung der Krankenkassenprämien bleibt substanziell erhalten.
Leider hat es die Kommission versäumt, das betreute Wohnen zu fördern – obwohl gerade dieses eine sehr kostengünstige Variante zur Vermeidung von viel teureren, verfrühten Heimeintritten gewesen wäre. Sehr bedenklich bleibt zudem die Position zur Vermögensberücksichtigung: Zwar ist die vorgeschlagene EL-Rückerstattung aus dem Erbe weniger einschneidend als die Einführung von Vermögensschwellen mit gesicherten Darlehen auf Wohneigentum. Erstere kommt jedoch implizit der Einführung einer Erbschafssteuer für Arme sehr nahe. In der Schweiz bräuchte es jedoch vielmehr endlich (wieder) eine vernünftige Erbschaftssteuer für Gutbetuchte – im europäischen Umland zu Recht Standard. Zuletzt ist auch das Beharren der Kommission auf der Lebensführungskontrolle beim Vermögensverzicht stossend und einer verfassungsmässig garantierten Bedarfsleistung wie den EL prinzipiell unwürdig.
Was die Verbesserungen der Revision betrifft, ist entscheidend, dass der Rat mindestens an der vom Bundesrat vorgeschlagenen Erhöhung der Mietzinsmaxima festhält. Die lokal möglichen Kürzungen um 10% sind mittelfristig unproblematisch. Denn der dafür notwendige Abdeckungsgrad von mindestens 90% wird bereits heute in den meisten Regionen nicht erreicht – ein Problem, das sich auch mit den neuen, fixen Mietzinsmaxima mittelfristig weiter verschärfen wird. Die durch den entsprechenden Passus geschaffene Möglichkeit, die anrechenbaren Mieten auch um 10% zu erhöhen, sollte daher von den Kantonen zukünftig rege in Anspruch genommen werden.
Absolut inakzeptabel ist allerdings die vom Nationalrat vorgeschlagene faktische Kürzung (!) der Mietzinsmaxima. Dies wird der Ständerat mit seinen Entscheiden in der Sommersession hoffentlich unmissverständlich klar machen.