Die Reform der Gesundheitspolitik in der Schweiz gleicht einer Grossbaustelle, auf der nichts mehr vorwärts geht, seit einigen Jahren schon. Der Oberingenieur, Bundesrat Couchepin, begnügt sich damit, einzelne begrenzte Revisionen ohne Sicht aufs Ganze vorzuschlagen. Das Volk hat instinktsicher am 1. Juni 2008 einen neuen Krankenversicherungs-Verfassungsartikel bachab geschickt, der den Kassen allzu viel Macht gegeben und den PatientInnen u.a. die freie Arztwahl genommen hätte. Ende dieses Jahres läuft der Zulassungsstopp für neue Arztpraxen aus – und der Ständerat war nicht fähig, in der Wintersession eine Nachfolgeregelung zu erarbeiten. Die nationalrätliche Kommission wird sich Mitte Januar über drei wichtige Teilvorlagen beugen, nämlich die Vertragsfreiheit, die Kostenbeteiligung und managed care. Bei all diesen Vorlagen drohen Gefahren, entweder in Richtung rationierter Zugang zu Gesundheitsleistungen und/oder vermehrte Belastung der Bevölkerung.
Neue starke Lobby
In dieser Lage hat sich nunmehr eine neue starke Koalition aus arbeitnehmerorientierten Verbänden aus dem Gesundheitswesen[1] formiert. Diese Koalition hat das Modell einer Persönlichen Gesundheitsstelle (PGS) entwickelt. ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen, PhysiotherapeutInnen und viele weitere Fachleute, die das Gesundheitswesen aus ihrer täglichen Erfahrung kennen, lancieren zusammen mit dem SGB dieses Modell als neuen Vorschlag, der aus der Blockade der Gesundheitspolitik heraus führen soll. Ziel ist eine qualitativ hoch stehende medizinische Versorgung, die vom Versicherungsobligatorium abgedeckt ist und mit der Vermeidung von administrativem Leerlauf gleichzeitig Kosten einspart.
Schlüssel um Blockade zu überwinden
Das Modell stellt eine angemessene Antwort auf die Krise der Hausarztmedizin dar. Gleichzeitig ermöglicht es eine ganzheitliche, der Qualität und der Wirksamkeit gleichermassen verpflichtete Lösung für die geschilderten Baustellen in der Gesundheitspolitik. Es ersetzt den Zulassungsstopp und macht die Diskussionen um die Aufhebung des Vertragsobligatoriums überflüssig.
Im Zentrum des Modells steht die persönliche Gesundheitsstelle (PGS). Als PGS funktionieren kann die Haus- resp. Kinderarztpraxis, eine Praxisgemeinschaft, ein Ambulatorium oder ein ärztlich geleitetes Netzwerk. Die Versicherten wählen sich eine PGS aus. Diese erbringt die hausärztliche Erstversorgung, übernimmt die Überweisung an Spezialisten und weitere andere Leistungserbringer und hat dabei die gesamte Behandlungskette im Blick. Alle Versicherten sind in der Wahl ihrer PGS frei und haben bei Bedarf Anrecht auf eine zweite ärztliche Meinung. Die PGS sammeln zudem alle Patienten-Informationen. Die Kantone müssen eine flächendeckende Versorgung mit PGS gewährleisten.
Damit wird die ganzheitliche, auf die Allgemeinmedizin abstützende Grundversorgung entscheidend gestärkt. Allen Versicherten steht eine gleichwertige Versorgung zur Verfügung. Die freie Arztwahl der Versicherten bleibt gewährleistet. Eine Aufsplittung der Grundversorgung in Billig-Netzwerke einerseits, eine teure Variante mit freier Arztwahl andererseits wird verhindert. PGS verhindern also, dass nur mehr finanziell Vermögende medizinisch gut versorgt werden. Gleichzeitig vermeiden sie doppelspurige Behandlungen und sparen so Kosten.
[1] Die Koalition besteht aus folgenden Organisationen der Arbeitnehmenden resp. der Leistungserbringer:
- Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und –ärzte VSAO
- Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD
- Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK
- Schweizerischer Verband der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen SVBG
- ErgotherapeutInnen-Verband Schweiz EVS
- Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB
- Vereinigung Unabhängiger ÄrztInnen VUA
- Schweizerischer Hebammenverband SHV
- physioswiss