Ein modernes Gesetz, ohne die Suva zu schwächen: Bei der Revision des Unfallversicherungsgesetzes hat sich der Schulterschluss der Sozialpartner ausgezahlt.
Mit der Schlussabstimmung in der Herbstsession ist die Revision des Unfallversicherungsgesetzes (UVG) unter Dach und Fach. Die Räte haben das aus den 1980er Jahren stammende Gesetz modernisiert, ohne die Suva gegenüber den Privatversicherern zu schwächen oder Versicherungsleistungen abzubauen. Dieses positive Resultat kam nur dank einer intensiven Zusammenarbeit zwischen dem SGB und den Arbeitgeberverbänden zustande.
Die vom Bundesrat präsentierte Vorlage wollte die gut funktionierende Sozialversicherung noch ohne finanzielle Not runterfahren. Die Privatversicherer hätten ihre Geschäfte weiter ausbauen können, die Suva wäre schwächer geworden. Ein Leistungsabbau hätte die Lage der Unfallinvaliden verschlechtert, die Versicherungsdeckung wäre gesenkt worden. Dank einer sozialpartnerschaftlichen Koalition im Parlament gelang es 2010, die Vorlage zurückzuweisen und diese Revision zu verhindern.
Sozialpartner mit eigener Vorlage
Im Anschluss beschlossen die in der Suva vertretenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, gemeinsam eine eigene Vorlage auszuarbeiten. Sie sollte das UVG modernisieren, ohne die Errungenschaften in der Unfallversicherung und die Funktionsweise der Suva in Frage zu stellen. Die Verhandlungen erstreckten sich über mehrere Jahre. Als sich auch noch der Schweizerische Verband der Privatversicherer der ausgehandelten Vorlage der Sozialpartner anschloss, war der Weg frei für eine konfliktfreie Behandlung im Parlament.
Aus Sicht der Arbeitnehmenden hat sich der eingeschlagene Weg gelohnt. Die Unfallversicherung konnte stabilisiert werden. Während bei vielen anderen Sozialversicherungen, etwa der IV oder der beruflichen Vorsorge, die Vorzeichen auf Abbau standen oder immer noch stehen, konnte dies in der Unfallversicherung verhindert werden.
Die Unfallversicherung bleibt damit eine gut funktionierende, solid finanzierte Sozialversicherung. Sie profitiert von der Struktur der Suva: Branchen mit hohen Unfallrisiken sind obligatorisch bei der Suva versichert. Gleichzeitig bilden sie über ihre Sozialpartner die Trägerschaft der Versicherung - ein Erfolgsmodell. Auch weil die Suva mehr als nur die Risikodeckung übernimmt. Sie ist auch in der Prävention tätig und sorgt für Rehabilitation und Integration der Verunfallten.
Suva gesichert
Mit dem neuen UVG bleiben die Unfallversicherung als verlässliche Sozialversicherung und die Suva als zentrale Institution der schweizerischen Sozialpartnerschaft auch in Zukunft gesichert. Zudem klärt die Revision einige bisher strittige Punkte, die auch für die Versicherten wichtig sind:
- Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin ist ab dem Tag versichert, an dem das Arbeitsverhältnis beginnt (also auch wenn der 1. des Monats auf einen Sonntag fällt).
- Die Versicherung endet am 31. Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann eine Abredeversicherung geschlossen werden. Deren Dauer wird neu auf 6 Monate verlängert.
- Alle Körperschädigungen, die wie ein Unfall behandelt werden, sind nun im Gesetz aufgezählt.
- Die Unfallpräventionsmassnahmen werden auf Grenzgänger und Entsandte ausgedehnt. Auch ausländische Betriebe müssen neu Präventionsbeiträge bezahlen, obschon sie nicht unter die Versicherungspflicht fallen.
Verhindert werden konnten auch radikale Einschnitte in der Rentenabdeckung für pensionierte Unfallinvalide. Zwar werden die Renten von Versicherten, die bis zu 20 Jahre vor der Pensionierung verunfallen und invalid werden, beim Erreichen des Rentenalters gekürzt. Zusammen mit den Altersrenten der AHV und der Pensionskassen erreichen pensionierte Unfallinvalide jedoch immer noch ein gutes Leistungsniveau:
- Bei Erreichen des Rentenalters wird die UVG-Rente von Unfallinvaliden, die zum Unfallzeitpunkt älter als 45 Jahre waren, gekürzt. Die Kürzung beträgt für jedes Jahr ab 45 bis zum Rentenalter 2%, bei einem Invaliditätsgrad unter 40% beträgt sie 1%. (Beispiel: Unfallzeitpunkt 55, Kürzung der UVG Rente ab 65: 20%). Dank langen Übergangsfristen, werden grundsätzlich nur Invalide betroffen sein, die nach Inkrafttreten der Revision verunfallen.
Nicht durchsetzen konnten sich die Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach einer Ausdehnung des Versicherungsobligatoriums bei der Suva. Aber immerhin wird die Position der Suva nicht geschwächt, sie erhält vielmehr mit neuen Corporate-Governance-Regeln ein klares Profil und wird in ihrer Autonomie gestärkt:
- Der bisherige Verwaltungsrat wird in Suva-Rat umbenannt. Er setzt sich weiterhin aus 40 Mitgliedern zusammen,16 Vertreterinnen oder Vertretern der Aarbeitnehmenden, 16 der Arbeitgeber und 8 des Bundes.
- Bei Abgrenzungsfragen über die Versicherungsunterstellung bei der Suva wird neu ein Schlichtungsmechanismus angewandt.
- Die Suva kann Nebentätigkeiten ausüben, wie etwa die Führung von Rehakliniken. Damit wird Rechtssicherheit geschaffen.
Mit der UVG-Revision hat die Unfallversicherung eine modernere gesetzliche Grundlage erhalten. Der eingeschlagene sozialpartnerschaftliche Weg hat allen Beteiligten genützt.
Noch viel zu tun
Dieser positive Ausgang nach einem ungünstigen Start darf aber nicht über die anstehenden Herausforderungen bei der Unfallversicherung hinwegtäuschen: Unfälle verursachen immer noch grosses menschliches Leid für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Alleine 2013 starben 272 Menschen am Arbeitsplatz oder wegen einer Berufskrankheit. Und Unfälle sind keine Zufälle. Allzu oft sind sie in der Arbeitswelt Folge von Profitdruck, Zeitnot und mangelnder Wertschätzung der Arbeitnehmenden. Die Prävention von Berufsunfällen und -krankheiten muss intensiviert werden. Dabei gilt es auch griffige Massnahmen gegen Stresserkrankungen umzusetzen, damit Arbeit nicht zum Gesundheitsrisiko wird.