Es war zu erwarten gewesen: Der Ständerat hat unsere Volksinitiative AHVplus klar abgelehnt. Für die Abstimmung jedoch werden die Karten neu gemischt. Denn ein Zuschlag zu den Altersrenten der AHV in der Höhe von 10 Prozent ist nötig. Das werden viele einsehen, die sich mit den Fakten auseinandersetzen.
Der AHV-Mischindex, 1980 eingeführt, ist für die Rentner/innen eine gute Sache. Er passt die Renten je zur Hälfte an die Entwicklung der Preise und der Löhne an. Im Gegensatz zu den Pensionskassen ist so bei der AHV der Teuerungsausgleich garantiert. Problematischer wirkt sich der Mischindex für die künftigen Rentner/innen aus. Weil ihre Löhne für die Rentenberechnung mit dem Mischindex angepasst werden, verlieren ihre Rentenansprüche gemessen an den Löhnen schleichend an Wert. Der Rückstand auf die Lohnentwicklung beträgt seit 1980 bereits 10 Prozent. Deshalb ist heute wieder eine Anpassung der Renten nötig. Denn mit dem langsamen, aber steten Absinken der Ersatzquote der AHV ist der Verfassungsauftrag der „Fortsetzung des gewohnten Lebens in angemessener Weise“ nicht mehr erfüllt.
AHV stärken: Bescheidener Mehrbeitrag, ansehnliche Mehrleistung
Eine Rentenverbesserung kann bei der heutigen Lage der Kapitalmärkte nur die mit dem Umlageverfahren finanzierte AHV leisten. Die AHV ist für die Mehrheit der Bevölkerung, allen voran für die Frauen, die zentrale Säule der Altersvorsorge. In der beruflichen Vorsorge wurden im Laufe der letzten 30 Jahren die Beiträge im Gegensatz zur AHV stark erhöht; sie machen inzwischen über 18 Prozent aus und sollen gemäss bundesrätlicher Vorlage zu „Altersvorsorge 2020“ nochmals angehoben werden – das für bescheidene und erst in Jahrzehnten anfallende Renten. Bei der AHV sind es seit 1975 stabile 8,4 Prozent. Dazu kommt dass bei der AHV das Preis-Leistungs-Verhältnis für die Menschen mit Einkommen bis zu 150‘000 Franken viel besser ist als bei den Pensionskassen. Und bei privaten Versicherungen für Einkommen von weit über 200‘000 Franken.
AHVplus bringt den Ehepaaren monatliche Rentenverbesserungen von rund 350 Franken. Pro Jahr macht das über 4‘000 Franken aus. Bei den Alleinstehenden sind es rund 200 Franken pro Monat. Oder gegen 2‘500 Franken pro Jahr. Die Kosten für diese Rentenverbesserungen betragen weniger als 4 Lohnpromille für die Arbeitnehmer und 4 Lohnpromille für die Arbeitgeber. Angesichts der damit verbundenen substanziellen Rentenverbesserungen dürfen Lohnpromille kein Tabu sein.
Auch künftig auf soliden Füssen
Die Kosten einer solchen Rentenverbesserung können wir uns leisten, weil die AHV ausserordentlich solid finanziert ist. Auch gegenüber den Herausforderungen der Demografie. Die AHV war wie keine andere Versicherung in der Lage, die Zunahme der Lebenserwartung und die Zunahme der Zahl der Rentner/innen zu finanzieren. Das zeigt die Entwicklung seit 1975. Die Zahl der Rentner/innen hat sich in den 40 Jahren seit 1975 von 900‘000 auf über 2 Millionen erhöht. Trotzdem bezahlen wir heute bei der AHV nicht mehr Lohnprozente als 1975: 4.2 Prozent Arbeitnehmerbeitrag und 4.2 Prozent Arbeitgeberbeitrag. Ein einziges Mal in diesen 40 Jahren brauchte es ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent, in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Und wenn in den nächsten zehn Jahren wieder ein Mehrwertsteuerprozent fällig wird, dann ist das bei der AHV äusserst gut angelegt.
Wieso diese enorme Leistungsfähigkeit der AHV-Finanzierung? Das Rezept ist so einfach wie schlagend. Die Beitragspflicht bei der AHV ist gegen oben unbeschränkt. Auch die höchsten Erwerbseinkommen und Millionenboni sind voll beitragspflichtig. Die Renten aber sind plafoniert. Der Millionär bekommt keine höhere Rente als jemand mit einem mittleren Einkommen. Dieses einfache, aber hoch wirksame Prinzip finanziert die AHV. Aus diesen Gründen mag es für bessere AHV-Renten eine bescheidene Erhöhung der Lohnbeiträge leiden.
Wir müssen kämpfen
Wir stehen vor einer wichtigen Weichenstellung: Lassen wir es zu, dass die AHV-Renten gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung schleichend an Wert verlieren? Oder wollen wir die AHV-Renten wieder stärken, weil es nach 30 Jahren nötig geworden ist? Die Antwort ist klar: Die AHV als zentrales und stärkstes Sozialwerk für die grosse Mehrheit im Lande muss gestärkt werden, statt wie im Projekt „Altersvorsorge 2020“ geschwächt. Dafür müssen wir kämpfen.
Kasten:
(tz) Der Ständerat hat in der Sommersession die AHVplus-Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Die Bürgerlichen wollen die Initiative möglichst rasch an die Urne bringen, entweder im Februar oder im Juni 2016. Der SGB, seine Mitgliedsverbände und die Partnerorganisationen stehen damit ab sofort in der Kampagne für AHVplus. Zurzeit starten wir eine Bildungsoffensive in unseren Reihen. AHV-BotschafterInnen werden ab Herbst den Gewerkschaften und Parteien für Veranstaltungen zur Verfügung stehen und einen guten Boden für die Debatten zu AHVplus und Altersvorsorge 2020 legen. AHVplus wird voraussichtlich die erste Volksabstimmung im laufenden Reformprozess. Da wollen wir Vollgas geben. Für eine starke AHV.