Stark steigende Preise und der Prämienschock bei den Krankenkassen treffen Rentnerinnen und Rentner besonders hart. Ein durchschnittliches Rentnerpaar droht bis Ende 2024 ein Kaufkraftverlust von bis zu acht Prozent, das entspricht monatlich 450 bis 500 Franken. Auf das Jahr gerechnet fehlt ihnen bis dann eine ganze Monatsrente im Portemonnaie. Nun wischt der Bundesrat alle mehrheitsfähigen Motionen für einen Sonder-Teuerungsausgleich der AHV-Renten vom Tisch. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund ist bestürzt, dass der Bundesrat die neue Realität der Bevölkerung ignoriert. Das Parlament muss dringend nachbessern, um die RentnerInnen und Rentner nicht im Stich zu lassen.
Im Juni hat das Parlament mit mehreren mehrheitsfähigen Motionen einen Sonder-Teuerungsausgleich der AHV-Renten gefordert. Denn: wird der normale Mechanismus über den Mischindex angewendet, drohen im neuen Kontext der hohen Inflation massive Kaufkraftverluste. Doch anstatt die Forderung mit einer dringenden Gesetzesanpassung zu konkretisieren, schmettert der Bundesrat die Vorstösse ab. Und lässt damit die RentnerInnen im Stich. Obwohl bereits das BVG keinen Teuerungsausgleich kennt – anders als seit 50 Jahren in der Verfassung versprochen –, sollen auch die AHV-Renten jetzt real an Wert verlieren. Der Bundesrat ist leider nicht auf der Höhe der Zeit: In der Vergangenheit wurden die Renten bei massiver Teuerung erhöht – wenn nötig auch im Eilverfahren. Das Parlament muss hier dringend nachbessern. Es bleibt noch Zeit, um den Wert der AHV-Renten für das Jahr 2023 zu erhalten.
Die AHV-Renten werden auf der Grundlage des Mischindexes alle 2 Jahre angepasst. Dieser setzt sich zusammen aus Teuerung und Lohnindex. Doch käme dieser normale Mechanismus dieses Jahr zur Anwendung, würde die mittlere AHV-Rente an realem Wert verlieren. Denn die Entwicklung der Löhne hinkt der Teuerung hinterher, was das Ergebnis nach unten ziehen würde. Die Teuerung würde so maximal zur Hälfte ausgeglichen. Zusammen mit dem fehlenden Ausgleich bei den PK-Renten und der Kostenexplosion bei den Krankenkassenprämien bedeutet dies einen Kaufkraft-Verlust von 450 bis 500 Franken monatlich (AHV und BVG zusammengerechnet) für ein mittleres RentnerInnen-Ehepaar.
Der SGB hatte den Bundesrat schon anfangs Mai auf dieses Problem hingewiesen: Art. 112 Abs. 2 Bst. d der Verfassung hält fest, dass die AHV-Renten mindestens an die Preisentwicklung anzupassen sind. Im Juni hatte das Parlament mit mehreren mehrheitsfähigen Vorstössen einen vollen Ausgleich per 2023 gefordert, wenn nötig mit einer dringlichen Gesetzesänderung.
In früheren Situationen mit hoher Inflation wurden die Renten bereits im Eilverfahren angehoben. Zum Beispiel 1990: Im Dezember wurde das Gesetz geändert, im April des darauffolgenden Jahres nach Ablauf der Referendumsfrist ein Teuerungszuschlag an alle RentnerInnen ausbezahlt. Dieses Beispiel zeigt: ein voller Ausgleich ist nicht nur machbar, sondern nötig.
Doch leider hat der Bundesrat über den Sommer keinen Vorschlag erarbeitet. Er lehnt einen vollen Ausgleich ab, obwohl die Teuerung im August noch zugenommen hat. «Die RentnerInnen blicken mit Sorge auf ihr Budget für nächstes Jahr», sagt SGB-Sozialversicherungsexpertin Gabriela Medici. «In der 2. Säule ist kein Ausgleich vorgesehen. Dass der Bundesrat die Anpassung der AHV-Renten ablehnt, ist unverständlich,» Nun muss das Parlament in der kommenden Session unbedingt nachbessern.