Budgetmitverantwortung schadet der Behandlungsqualität

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Verfasst durch Stefan Rüegger

Abstimmungen vom 17. Juni: Managed Care

Die Managed Care-Vorlage führt nicht wie von Befürworterseite behauptet zu einer besseren Behandlungsqualität für Patientinnen und Patienten. Vielmehr setzt sie falsche finanzielle Anreize für die Ärztinnen und Ärzte und fördert dadurch die Rationierung von Behandlungen. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten von Prof. Dr. Binswanger im Auftrag des Vereins Medizin und Ethik Schweiz (VEMS).

„Behandlung verbessern – Kosten dämpfen“ – damit werben die Befürworter der Managed Care-Vorlage, über die wir am 17. Juni abstimmen werden. Das tönt toll, hat aber mit der Realität eher wenig am Hut. „Behandlungen dämpfen – Kosten drücken“ wäre die ehrlichere Variante. Denn genau darauf läuft die Budgetmitverantwortung hinaus, welche künftig zum Standard werden soll.

Gerade bei netzwerkexternen Behandlungen – z.B. Physiotherapien, Abklärungen bei SpezialistInnen oder Spitalüberweisungen – wäre dies künftig spürbar. Solche Leistungen werden zwar dem Budget des Netzwerks angerechnet, das Netzwerk erwirtschaftet aber keinerlei Profit dabei. Dadurch entsteht für den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin ein finanzieller Anreiz, möglichst wenige solche Behandlungen zu verschreiben – selbst wenn ein Patient oder eine Patientin diese benötigen würde. Dasselbe gilt für teure Medikamente.

Durch die Budgetmitverantwortung können sich Ärztinnen und Ärzte nicht mehr voll darauf konzentrieren, was für ihre Patientinnen und Patienten das Beste ist. Bei jeder Behandlung müssen sie sich immer auch fragen, ob die nötige Behandlung überhaupt noch ins Budget passt. Falls nicht, können sie entweder gegen ihre eigenen Interessen entscheiden und eine Behandlung trotzdem verschreiben – oder aber eine nötige Behandlung aus Kostengründen verwehren. Die Managed Care-Vorlage zwingt also Ärztinnen und Ärzte dazu, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln, wenn sie uns optimal versorgen wollen. Das ist mit Sicherheit die schlechteste aller möglichen Lösungen!

Wie soll man so die Qualität messen?

Dasselbe Problem stellt sich bei der Qualitätskontrolle. Was ist denn nun eine gute Behandlungsqualität – eine möglichst gute oder eine möglichst günstige Behandlung? Da diese Frage allein den Krankenkassen überlassen werden soll (Geheimverträge – wir erinnern uns), ist damit zu rechnen, dass letzteres der Fall sein wird. Und weil sämtliche Vereinbarungen und Kontrollen zwischen Krankenkassen und Netzwerken geheim sind, können sich Patientinnen und Patienten noch nicht mal sicher sein, wo denn nun bei ihrem Netzwerk und ihrer Kasse die Prioritäten liegen.

Wir haben am 17. Juni also die Wahl. Die Wahl zwischen einem intransparenten und mit falschen Anreizsystemen gespickten Gesundheitssystem, bei dem der Profit zur obersten Maxime wird – oder aber dem bisherigen System, bei dem sich unsere Ärztinnen und Ärzte voll und ganz auf unsere Gesundheit konzentrieren können. Allzu schwer fällt die Entscheidung da nicht.

Befürworter hantieren mit falschen Zahlen

Die Befürworter der Budgetmitverantwortung scheinen unlängst selber gemerkt zu haben, welchen Mist sie den Leuten da andrehen wollen. Um nicht völlig unterzugehen, versuchen sie sich deshalb gerne mit der Behauptung rauszureden, dass ja bereits heute viele Leute in einem Netzwerk mit Budgetmitverantwortung versichert seien. Schaut man sich die Zahlen vom Krankenkassenverband Santésuisse an, fehlt dieser Behauptung jedoch jegliche Grundlage.

Lediglich 17% der Versicherten sind in einem Ärztenetzwerk versichert. 90% dieser Netzwerke bieten Modelle mit Budgetmitverantwortung an. Doch nicht einmal die Hälfte der in Netzwerken Versicherten haben ein solches Modell gewählt: nur gerade 6.2% aller Versicherten sind heute schon in einem Modell mit Budgetmitverantwortung versichert.

Betagte bestrafen?

Die meisten von ihnen sind ausserdem sogenannte „gute Risiken“, also junge Versicherte, welche kaum Kosten verursachen. Bei den Betagten hingegen, einer Bevölkerungsgruppe mit höherem Behandlungsbedarf, sucht man die Budgetmitverantwortung vergebens. Mit andern Worten: Die Managed Care-Vorlage ist eine massive Bestrafungsaktion der Betagten, die aus guten Gründen heute keine Budgetmitverantwortung wählen und morgen dafür mit höheren Selbstbehalten bestraft werden sollen.

Darauf gibt es nur eine Antwort: ein klares NEIN zur Managed Care-Vorlage am 17. Juni!

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss
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