Auch für Kulturschaffende voller Fallen

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Verfasst durch Jean Christophe Schwaab, SGB-Zentralsekretär

Das revidierte Arbeitslosengesetz ist eine schallende Ohrfeige an die Jugendlichen und an die Langzeitarbeitslosen. Es werden aber auch – weniger direkt ersichtlich – vielen Minderheiten Verschlechterungen zugemutet. Zum Beispiel den Kulturschaffenden.

Viele Kulturschaffende werden wegen der verlängerten Beitragszeit den Anspruch auf 400 Taggelder verlieren. Ihre Anstellungen sind nämlich meistens kurzzeitig. Viele von ihnen sind gleichzeitig selbständig, scheinselbständig und nichtselbständig. Und wenn sie regelmässig Beschäftigte sind, kann ihr Beschäftigungsgrad von einem Jahr zum anderen stark schwanken. Daher ist es bereits heute nicht einfach, die aktuell geltenden Bedingungen zu erfüllen, um eine volle Arbeitslosenentschädigung zu geniessen, auch wenn das AVIG und seine Verordnung (AVIV) eine spürbare Verbesserung gebracht haben: Der erste Beitragsmonat zählt doppelt für die Versicherten, welche im künstlerischen Bereich tätig sind. Viele werden die neue Beitragszeit von 18 Monaten während der 24-monatigen Rahmenfrist kaum erfüllen können, trotz den Bestimmungen von Art. 12a AVIV. Hinzu kommt noch, dass die Dauer der Einsätze sich in den letzten Jahren tendenziell reduziert hat. Dies wird eine massive Reduktion ihrer Arbeitslosentaggelder zur Konsequenz haben und wäre im Vergleich zur letzten Revision des AVIG ein klarer Rückschritt. 

Viele Kulturschaffende wären gezwungen, die Sozialhilfe zu beantragen oder müssten den Beruf wechseln, was sehr schwierig sein kann, insbesondere in Rezessionszeiten. Hier soll daran erinnert werden, dass es sehr wenige Unterstützungsmöglichkeiten für Kulturschaffende gibt, welche sich beruflich umschulen möchten, auch in denjenigen Kulturberufen, wo die Karriere sehr kurz ist (z. B. setzen die TänzerInnen ihre Karriere äusserst selten nach dem 35. Altersjahr fort). 

Kompensationszahlungen bei der Berechnung des versicherten Verdiensts nicht mehr berücksichtigt

Die meisten Kulturschaffenden sind zwischen zwei Aufträgen auf Zwischenverdienst angewiesen. Ist der Zwischenverdienst tiefer als das Arbeitslosentaggeld, so zahlt die Arbeitslosenkasse eine Kompensationszahlung.  Würden die Kompensationszahlungen nicht mehr zum versicherten Verdienst angerechnet, was die AVIG-Revision vorsieht, so müssten viele Kulturschaffende mit einer erheblichen Senkung ihres Arbeitsloseneinkommens rechnen. Auch das würde viele Kulturschaffende in die Sozialhilfe drängen. 

Verlängerung der Wartezeit und Kürzung des Taggeldanspruchs für Beitragsbefreite 

Diese Gesetzesänderung hätte gravierende Konsequenzen für viele Kunst- oder MusikstudentInnen zur Folge. Viele haben nämlich Mühe, sofort nach Abschluss des Studiums eine Anstellung im erlernten Beruf zu finden. Zum Beispiel sind in den letzten Jahren die Chancen der Deutschschweizer TheaterstudentInnen gesunken, direkt nach dem Studienabschluss eine feste Anstellung in einem deutschen Theater zu finden. Bereits heute müssen viele Kunst- oder MusikstudentInnen den Beruf wechseln, ohne den erlernten Beruf ausgeübt zu haben, da die Perspektiven in der Branche zu schlecht sind. 

Eine Kürzung der Taggelder würde noch mehr Personen für eine lange Dauer in die Sozialhilfe drücken. Die Ausgaben der Kantone und Gemeinden würden entsprechend steigen. Längerfristig würde diese Kürzung die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschweren, da die Wiedereingliederungschancen mit der Dauer der Sozialhilfeabhängigkeit sinken. 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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