Trotz Änderung des Sorgerechts: Die AHV-Erziehungsgutschriften werden weiterhin aufgrund der tatsächlichen Erziehungsengagements gesprochen. So hat der Bundesrat entschieden und damit einer Intervention des SGB und von Frauenorganisationen entsprochen. Das kommt in aller Regel den Frauen entgegen, denen hier „klammheimliche Enteignung“ gedroht hatte.
Ab dem 1. Juli werden nicht verheiratete oder geschiedene Eltern im Regelfall die gemeinsame elterliche Sorge für ihre Kinder haben. Diese Änderung des Sorgerechts wirkt sich auch auf die AHV aus. Denn die Erziehungsgutschriften der AHV werden anhand des Sorgerechts angerechnet. Wer das alleinige Sorgerecht hat, erhält die ganze Erziehungsgutschrift von Fr. 42‘120 Franken pro Jahr, für welches man für Kinder unter 16 gesorgt hat. Bei gemeinsamer elterlichen Sorge wurde bisher die Erziehungsgutschrift hälftig geteilt, ausser die Eltern hätten eine andere Teilung vereinbart. Die Folge dieser grobschlächtigen Regelung hätte bei vielen Frauen zu markanten AHV-Renteneinbussen geführt. Denn die gemeinsame elterliche Sorge sagt nichts über die tatsächliche Erwerbs- und Betreuungssituation aus. Trotz gemeinsamem Sorgerecht ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft häufig nur ein Elternteil – meistens die Mutter – die Erwerbstätigkeit reduziert, um die gemeinsamen Kinder zu betreuen. Damit wird sie – die Mutter – mit Einbussen bei den künftigen AHV-Renten zu rechnen haben.
Am tatsächliches Engagement für Erziehung messen
Der SGB und die Frauenorganisationen haben den Bundesrat Ende 2013 auf diesen Missstand aufmerksam gemacht und eine Regelung für die Anrechnung der Erziehungsgutschriften gefordert, die der Erwerbs- und Betreuungssituation besser Rechnung trägt. Mit der Mitte Mai verabschiedeten Anpassung der AHV-Verordnung hat der Bundesrat dieses Anliegen berücksichtigt und angemessene Anrechnungsregelungen geschaffen.
Die neue Bestimmung in der AHV-Verordnung sieht vor, dass das Gericht oder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) bei jedem Entscheid über die gemeinsame elterliche Sorge, über die Zuteilung der Obhut oder über die Betreuungsanteile gleichzeitig auch über die Anrechnung der Erziehungsgutschriften befindet. Dabei ist demjenigen Elternteil die ganze Erziehungsgutschrift anzurechnen, der voraussichtlich den überwiegenden Teil der Betreuungsleistung für die gemeinsamen Kinder erbringen wird. Die Erziehungsgutschrift ist hälftig anzurechnen, wenn anzunehmen ist, dass beide Eltern in gleichem Umfang Betreuungsleistungen für die gemeinsamen Kinder erbringen werden.
Solange keine Vereinbarung, dann die Mutter
Kommt die gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer gemeinsamen Erklärung der Eltern vor dem Zivilstandsamt oder vor der KESB zustande, müssen die Eltern gleichzeitig eine Vereinbarung über die Anrechnung der Erziehungsgutschriften treffen oder innert drei Monaten eine solche Vereinbarung bei der zuständigen KESB einreichen. Geschieht dies nicht, wird die KESB von Amtes wegen über die Anrechnung der Erziehungsgutschriften entscheiden. Solange weder ein Entscheid des Gerichts oder der KESB noch eine Vereinbarung der Eltern über die Anrechnung der Erziehungsgutschrift vorliegt, wird die Erziehungsgutschrift in vollem Umfang der Mutter angerechnet. Diese Regelung berücksichtigt den Umstand, dass auch heute die Mütter in den meisten Fällen ihre Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die Betreuung der Kinder stärker einschränken als die Väter.
Mit dieser Regelung rücken die Erziehungsgutschriften stärker in den Fokus. Während sie heute meistens erst im Zeitpunkt der Pensionierung relevant werden, wird es künftig klug sein, sich im Zeitpunkt einer Trennung oder Scheidung oder bei Geburt des Kindes mit der Materie zu befassen.