Die Schweiz hat ein Problem auf dem Arbeitsmarkt: Altersdiskriminierung. Zwar ist seit Jahren überall von Fachkräftemangel die Rede, in vielen Branchen spüren aber die "Ü55" wenig davon.
So war während den wirtschaftlichen Boomjahren von 2014-2018 erwartungsgemäss die Arbeitslosigkeit in allen Altersgruppen rückläufig - nur für die über 55-jährigen Arbeitnehmenden hat sie zugenommen. Dazu kommt, dass der Anteil der prekären Arbeitsverhältnisse für ältere Arbeitnehmende ansteigt: Sowohl Temporärarbeit als auch geringfügige Beschäftigung nehmen bei den Ü55 seit Jahren überdurchschnittlich stark zu.
Die OECD fordert die Schweiz deshalb schon seit Langem auf, gesetzlich gegen Altersdiskriminierung vorzugehen, zuletzt wieder im kürzlich publizierten Länderbericht Schweiz. Konkret muss dies heissen, dass hierzulande endlich ein verstärkter Kündigungsschutz für langjährige MitarbeiterInnen eingeführt wird. Im europäischen Umland ist dies bewährter Standard, ebenso in einigen GAV-Branchenlösungen in der Schweiz. Die Neuzusammensetzung des Parlaments lässt nun hoffen: Glaubt man den Smartvote-Antworten der Gewählten, dürfte ein verbesserter Kündigungsschutz gute Chancen auf parlamentarische Umsetzung haben.
Altersarmut nachhaltig vorbeugen
Davon abgesehen bleibt eine verbesserte soziale Absicherung älterer Ausgesteuerter ein vordringliches Anliegen. Denn einmal arbeitslos, tragen ältere Arbeitnehmende ein sehr hohes Risiko, später ausgesteuert zu werden. Das Amt für Wirtschaft und Abgaben des Kantons Zürich gibt an, dass heute jedeR zweiteR (!) Arbeitslose über 60 Jahren in der Aussteuerung landet.
Was geschieht danach üblicherweise? Die Betroffenen müssen von ihrem Vermögen zehren (oftmals inklusive BVG-Kapital), bevor sie in der Sozialhilfe landen. Gleichzeitig ist damit die Basis für Armut bzw. EL-Abhängigkeit im Alter gelegt. Den Betroffenen wird dabei jede Würde genommen: Sie haben ein Leben lang "gekrampft" und in die Sozialversicherungen einbezahlt. Auf dem Zenith der beruflichen Erfahrung werden sie fallen gelassen und landen im beruflichen und finanziellen Nichts.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Überbrückungsleistung (ÜL) schafft hier Abhilfe: Über 60jährigen Ausgesteuerten soll diese bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters einen Lebensstandard auf EL-Höhe garantieren und gleichzeitig die Renten für danach sichern. Damit schlägt die ÜL einerseits eine Brücke zwischen Aussteuerung und Rente und verhindert andererseits spätere Armut im Alter. Und auch die Ausgaben sind absolut überschaubar: Weil Bund und Kantone bei den ordentlichen EL sowie in der Sozialhilfe sparen werden, belaufen sich die Nettokosten der ÜL auf maximal 200 Millionen Franken pro Jahr.
Entscheidung in der Wintersession
Nun muss der Ständerat in der Wintersession alles dafür tun, die nötige Gesetzesrevision mit einigen wichtigen Verbesserungen zügig zu verabschieden: Erstens muss die ÜL für Arbeitslose ab 55 Jahren (bzw. Ausgesteuerte ab 57 Jahren) greifen, denn sämtliche Arbeitsmarktindikatoren weisen darauf hin, dass die genannten Probleme spätestens ab diesem Alter rapide zunehmen. Die von den Arbeitgebern und der FDP geforderte Beschränkung der ÜL auf Ausgesteuerte erst ab 62 Jahren wäre für die Betroffenen hingegen ein Hohn, der Begriff "Symbolpolitik" wäre dafür fast schon ein Lob.
Ebenfalls nachbessern muss der Ständerat bei der vom Bundesrat vorgeschlagenen Plafonierung der Überbrückungsleistung. Sie würde dazu führen, dass vielen Betroffenen in Kantonen mit hohen Mieten und Prämien nicht einmal der EL-Lebensstandard zusteht. Und auch hier ist die alternative Forderung von rechts - eine weitere Absenkung des Plafonds - völlig unverständlich: Dies käme einer "Sozialhilfe durch die Hintertür" gleich und würde damit die Betroffenen ebenfalls an der Nase herumführen.