Letzte Woche musste es das Seco zugeben: Zahlten die hohen Einkommen in gleichem Mass in die ALV ein wie die normalen Beschäftigten, so wären Einnahmen und Ausgaben der ALV im Gleichgewicht. Heute muss auf Löhne über 126‘000 Fr. kein ALV-Beitrag bezahlt werden – auch Brady Dougan zahlt nur 2520 Fr. in die ALV. Würde diese Grenze wegfallen, hätte die ALV 600 Mio. Fr. mehr Einnahmen. Das Seco sprach seinerzeit während der parlamentarischen Beratung von etwas mehr als 400 Mio. Fr. Dementsprechend wurde die Deplafonierung der Beiträge vom Parlament in der Revision nicht seriös geprüft. Obwohl die Deplafonierung in den Schweizer Sozialversicherungen AHV und IV eine Selbstverständlichkeit ist.
Dass es nun 600 Millionen sind, hat die Ausgangslage völlig verändert. Sogar die Zürcher Ständerätin Verena Diener, Co-Präsidentin des Pro-Komitees bei der ALV-Revision, sagte in der Aargauer Zeitung: „Die Debatte im Parlament hätte womöglich einen anderen Verlauf genommen, wenn wir die wirklichen Zahlen gekannt hätten.“ Diener will im Pro-Komitee nun darüber diskutieren, ob man nicht einen parlamentarischen Vorstoss lancieren möchte, der auf höhere ALV-Abgaben bei hohen Einkommen zielt. Fazit: Die 4. AVIG-Revision ist eine Totgeburt.
Drastische Einbussen
Die AVIG-Revision führt zu Verschlechterungen für einen grossen Teil der Bevölkerung. Fast die Hälfte der Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren haben keine Betreuungspflichten gegenüber Kindern. Kommt der Leistungsabbau, werden diese Menschen viel länger auf ihr Arbeitslosengeld warten müssen. Ein 55-jähriger Maurer, dessen Kinder ausgeflogen sind und der einen Lohn von rund 5000 Franken pro Monat hat, wird als Arbeitsloser im ersten Monat von nur noch 1900 Franken leben müssen. Er hat in seinem Berufsleben mehr als 20‘000 Franken in die ALV einbezahlt und wird nun zur Sozialhilfe gehen müssen. So viel zum Versicherungsprinzip, das mit der Revision gestärkt werden soll. Auch die Älteren, die Jungen, die Wiedereinsteigerinnen und Personen, die nach einer Krankheit oder einem Unfall wieder arbeiten wollen, werden mit Leistungsabbau bestraft (weniger Taggelder). Und die Menschen aus besonders von der Krise betroffenen Regionen werden früher ausgesteuert.
Kein Sparen, nur Kostenverschiebung
Was das Parlament bei der ALV beschlossen hat, ist nicht nur ungerecht, es ist auch eine Pseudolösung. Was die ALV spart, wird auf die Kantone und die Gemeinden abgeschoben. Das bedeutet aber, dass diese früher oder später die Steuern erhöhen müssen. Das verschweigen die Befürworter. Die ALV-Revision wird den Steuerzahler fast 100 Franken kosten. Dann müssen beispielsweise auch AHV-RentnerInnen zahlen, die die ALV nicht mehr brauchen.
Für den SGB ist klar. Die ungerechte AVIG-Revision muss abgelehnt werden. Was es braucht, ist eine gerechte Finanzierung. Eine Finanzierung, bei der die Profiteure der letzten Jahre zahlen und nicht diejenigen, die unter der Krise leiden.