Pièces de résistance der Vorlage sind folgende Punkte: Verschlechterungen bei der Rentenanpassung, Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre und - wahrscheinlich - keine soziale Abfederung bei der Frühpensionierung. Differenzen zwischen Nationalrat und Ständerat bestehen bei der sozialen Abfederung beim Rentenvorbezug und beim Rentenanpassungsmechanismus.
Frühpensionierung: taktisches Spielchen der Bürgerlichen
Im ersten Durchgang hat die Mehrheit des Nationalrates jegliche soziale Abfederung beim Rentenvorbezug abgelehnt. Der Ständerat hingegen hat vorgeschlagen, die Rentenkürzungen beim Rentenvorbezug abgestuft nach dem massgebenden AHV-Einkommen zu reduzieren. Der dafür vorgesehene Betrag (400 Mio. Franken) ist aber sehr gering. Damit verteilte man sehr wenig Geld auf viele Leute, mit dem Resultat, dass nur für die Versicherten mit AHV-Einkommen im Bereich der Ergänzungsleistungen akzeptable Kürzungssätze herausschauen würden. Das wäre aber weitgehend wirkungslos, weil auf diese Weise nur Ergänzungsleistungen durch AHV ersetzt würden und somit kaum mehr Personen als heute, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen auf einen frühzeitigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben angewiesen sind, in den Genuss einer „subventionierten“ AHV-Frühpensionierung kommen könnten. Der ständerätliche Vorschlag beinhaltet zudem ein Exportverbot, das aber praktisch kaum umsetzbar wäre. Nun beantragt die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission, 1,15 Milliarden Franken für die soziale Abfederung der Frühpensionierungen einzusetzen. Davon könnten 66 Prozent der Männer und 90 Prozent der Frauen profitieren. Diese 1.15 Milliarden Franken entsprechen den (mittelfristigen) Einsparungen aus der Erhöhung des Rentenalters der Frauen. Bei diesem Beschluss handelt es sich aber nicht um einen plötzlichen positiven Meinungsumschwung, sondern nur um ein taktisches Spiel. Angesichts eines Minderheitsantrages, der den ständerätlichen Minimalvorschlag in leicht abgewandelter Form übernimmt, haben viele Bürgerliche bewusst einen weitergehenden Antrag von Christine Goll unterstützt. Um so sicherzustellen, dass am Schluss ein Antrag, der jegliche soziale Abfederung ablehnt, obsiegt. Die Nationalratsmehrheit wird also voraussichtlich ihre ablehnende Haltung bestätigen - am Schluss der ganzen parlamentarischen Beratung wird es wahrscheinlich gar keine soziale Abfederung geben. Man wäre in diesem Punkt also wieder gleich weit wie vor einigen Jahren.
Rentenanpassung: Kaufkraftverlust vorprogrammiert
Einig sind sich der Ständerat und die Nationalratsmehrheit in folgendem Punkt: Die Rentenanpassung, die heute alle zwei Jahre erfolgt und auch für die IV-Renten gilt, würde neu abhängig vom Stand des AHV-Fonds erfolgen. Dieser soll neu nur noch die Sollhöhe von 70 % einer Jahresausgabe haben. Sobald der Fondsstand unter 70 % zu liegen kommt, würden die Renten erst dann angepasst, wenn eine Teuerung von mindestens 4 Prozent seit der letzten Anpassung aufgelaufen ist. Diese Regelung wäre eine Verschlechterung gegenüber heute: Wenn der Fondsstand unter 70 % liegt, würden die Renten nicht mehr im fixen Zweijahresrhythmus angepasst, sondern, je nach Teuerungsentwicklung, erst alle 3-4 Jahre. Für die RentnerInnen bedeutet das einen zusätzlichen Kaufkraftverlust, weil sie länger auf Anpassungen warten müssen, sowie eine erhebliche Unsicherheit, weil sie nicht wissen, wann die Renten nun angepasst werden. Auf den ersten Blick könnte man nun meinen, das Unterschreiten des Schwellenwerts von 70 % resp. die Verlangsamung des Rentenanpassungsrhythmus liege in weiter Ferne. Dem ist aber nicht so: Erstens wird die AHV 5 Milliarden als Startkapital an die IV überweisen müssen, dies im Jahr 2011. Zweitens sollen bei der Berechnung des Fondsstandes „Beiträge, die aus einmaligen, ausserordentlichen Zuwendungen stammen“, nicht berücksichtigt werden. Mit dieser Umschreibung sind die ca. 7 Milliarden gemeint, welche die AHV vor einigen Jahren aus dem Bundes-Drittel am überflüssigen Nationalbank-Gold erhalten hat. Total würde der für die Rentenanpassung massgebende Fondsstand also mindestens 12 Milliarden (5 + 7 Mrd.) tiefer liegen als der heutige, wobei perfiderweise 5 Mrd. davon gleich zweimal abgezogen bzw. nicht berücksichtigt werden (einmal unter dem Titel „einmalige Zuwendung“ und ein zweites Mal als überweisung an die IV) – mit dem Resultat, dass der für die Berechnung der Rentenanpassung massgebende AHV-Fondsstand vermutlich bereits beim Inkrafttreten der Revision (oder kurz danach) unter 70 % liegen würde. Der heutige zweijährige Rentenanpassungsrhythmus wäre also sofort Vergangenheit und dies wahrscheinlich definitiv. Diese Regelung ist also in jedem Fall, auch in der Fassung des Nationalrats, schlechter als diejenige, die 2004 bei der Erstauflage der 11. AHV-Revision (fix alle drei Jahre) abgelehnt worden ist.
AHV-Renten: Bald nur noch ein Taschengeld?
Noch brisanter ist die zweite verbleibende Differenz zwischen den Räten. Der Ständerat will bei einem Fondsstand von unter 45 % die Rentenanpassung sogar ganz aussetzen. Die nationalrätliche Kommission besteht immerhin darauf, dass die Rentenanpassung auch bei einem Fondsstand von unter 45 % erfolgt. Auch dieses aus aktueller Sicht tiefe Niveau könnte schneller erreicht werden, als es heute scheint. Erstens wäre das für die Berechnung massgebende Niveau ohnehin tiefer als das reale, wegen dem oben erwähnten buchhalterischen „Beschiss“ und dem Kapitaltransfer an die IV. Zweitens hat es das Parlament in der Hand, den Fondsstand gezielt auf ein tiefes Niveau absinken zu lassen. Z.B. indem es die AHV noch einmal missbraucht, um die Schulden der IV zu tilgen. Die Versuchung ist gross, denn die IV-Schulden bestehen ja noch immer. Die Folgen für die RentnerInnen wären gravierend: Selbst bei relativ geringer Inflation entwerten sich Renten im Lauf der Jahrzehnte massiv. Die AHV-Renten sind heute schon nicht existenzsichernd, trotz dem klaren Auftrag der Bundesverfassung.
Ebenfalls in der Sessionsvorschau: AVIG-Revision und Postreform.