Viele Fallstricke und im Gegenzug keine Sicherheiten. Das charakterisiert die Service public-Initiative. Zuviel Gestaltung überlässt sie dem Parlament. Da hat man seine Rechnung schnell gemacht.
Das Medienecho zur Service public-Initiative ist gewaltig. Alle anderen Abstimmungsvorlagen sind abgehängt. Und dennoch ist bis heute nur wenig geklärt: Die Interpretationen zum Verbot des Gewinnstrebens und der Querfinanzierung liegen noch immer weit auseinander. Auch unter Fachleuten. Nur in einem Punkt sind sich alle einig, die Initianten und die GegnerInnen, die Wissenschaft und die Verwaltung: Es wird Aufgabe des Parlaments sein, den Bereich der Grundversorgung zu definieren. Die Initianten wollen offensichtlich eine Definition der Grundversorgung in den Infrastrukturbereichen Verkehr, Post und Telekommunikation oder sie wollen, noch enger, dass der Grundversorgungsauftrag für SBB, Post und Swisscom definiert wird. Sie behaupten ja stets, es gebe bisher keine solche Definition. Das aber ist grundfalsch, denn die Grundversorgung ist bereits heute in den Spezialgesetzgebungen zu den Infrastrukturunternehmen en détail geregelt.
Parlament nicht in Versuchung bringen
Die Initiative ist allerdings auch hier nur vage formuliert. Denkbar wäre deshalb, dass das Parlament die Grundversorgung der Bevölkerung mit "allen Gütern und Dienstleistungen des üblichen Bedarfs", um den Bundesrat zu zitieren, neu definieren würde. Vermutlich aber eher nicht. Vermutlich wird sich das Parlament darauf beschränken, die Spezialgesetzgebungen und die Grundversorgungskonzession der Swisscom durchzukämmen und anzupassen.
Die Versuchung fürs Parlament ist gross, die Grundversorgung möglichst eng zu definieren. Zum einen war das schon immer das Bestreben der bürgerlichen Parteien, zum anderen würde dann die Initiative mit ihrem Verbot des Gewinnstrebens und der Querfinanzierung die bundesnahen Unternehmen möglichst wenig tangieren. Eine restriktive Definition der Grundversorgung ist aber keineswegs im Sinn der Gewerkschaften. Der Bevölkerung würde damit in jeder Hinsicht ein Bärendienst erwiesen. Denn - so wäre mit Sicherheit die Logik des Parlaments - alles, was nicht Grundversorgung ist, unterliegt auch keiner Regulierung und Kontrolle. Da spielt dann quasi der Markt inklusive freie Preisbildung.
Viele Fallstricke, keine Sicherheiten
Das wollen wir sicher nicht. Wir stehen ein für eine breite Definition der Grundversorgung, jedenfalls sollte sie mindestens so breit definiert sein wie heute. Damit aber wird gerade für die Post die Frage sehr virulent, wie das Verbot des Gewinnstrebens zu interpretieren ist. Denn die Post macht Gewinn im Paketversand (bekanntlich boomt der Online-Handel) und sie macht durchaus Gewinn mit Massenbriefsendungen und mit dem Zahlungsverkehr. Diesen Gewinn liefert sie mitnichten in die Bundeskasse ab, sondern finanziert damit u.a. das defizitäre Poststellennetz. Es darf zumindest vermutet werden, dass ein Verbot des Gewinnstrebens der unternehmensinternen Querfinanzierung nicht förderlich wäre...
Man mag es drehen und wenden, wie man will: die Initiative birgt viele Fallstricke und bietet im Gegenzug keine Sicherheiten. Es macht nicht wirklich froh, wenn die Initianten trotzig verkünden, sie würden dann gleich das Referendum ergreifen, wenn das Parlament die Initiative nicht in ihrem Sinne umsetzen werde. Da wären wir dann die kommenden Jahre in einem anhaltenden Abwehrkampf eingebunden. Die Kräfte liessen sich gescheiter einsetzen. Zum Beispiel für bessere Arbeitsbedingungen in den Unternehmen! Denn das ist es, was den Service public am effektivsten stärkt. Dann muss der Pöstler nämlich auch nicht mehr rennen (um ein Lieblingsbeispiel der Initianten aufzugreifen).
Die Parolen des SGB zu den Vorlagen vom 5. Juni
- Pro-Service-public-Initiative: nein
- Milchkuh-Initiative: nein
- Bedingungsloses Grundeinkommen: nein
- Asylgesetz: ja
- Präimplantationsgesetz: keine Parole