Postreform: falsch, unnötig, unsozial

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Verfasst durch Rolf Zimmermann, Leiter SGB-Sekretariat

SESSIONSVORSCHAU: Die Schweizer Post funktioniert im internationalen Vergleich vorbildlich und preiswert. Ausser den privaten Konkurrenzfirmen will niemand die totale Liberalisierung der Schweizer Postdienste. Denn damit sind erfahrungsgemäss eine schlechtere Versorgung, höhere Preise und Druck auf die Postangestellten verbunden. Die Postreform ist also nicht mehrheitsfähig, der Ständerat sollte auf sie verzichten.

Dem Ständerat liegt in der Wintersession eine Totalrevision der Postgesetzgebung vor, die sich durch einen unnötigen vorauseilenden Gehorsam gegenüber der EU „auszeichnet“ und ausschliesslich dem Druck des Wirtschaftsdachverbands économiesuisse folgt. Grundsätzlich besteht überhaupt kein Bedarf für eine solche Revision.  

Die Vorlage des Ständerates enthält nach dem Willen der Mehrheit der Kommission vier Grundfehler: 

  1. will sie die Postdienste bereits 1 Jahr nach Inkrafttreten der totalrevidierten Gesetze (Postgesetz und Postorganisationsgesetz) dem vollständig liberalisierten Markt aussetzen.
  2. sollen die bundeseigene Post in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft und die Postfinance in eine private Aktiengesellschaft umwandelt werden.
  3. wird das flächendeckende Poststellennetz in ein lockeres Feld von „Zugangspunkten“ degradiert.
  4. Die Pflicht zu einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Post wird in einen unverbindlichen Verhandlungsauftrag abgewertet. Damit sollen die bisher anständigen Arbeitsbedingungen der Post den vertragslosen prekären Arbeitsverhältnissen bei den privaten Konkurrenten angeglichen werden. 

Diese vier Grundfehler sind typische Konsequenz aller Liberalisierungen bei öffentlichen Infrastrukturen: Unnötige Konkurrenz in einer gut funktionierenden Monopol-Infrastruktur, Privatisierung lukrativer Dienstleistungen, schlechtere Versorgungsqualität und schlechtere Arbeitsbedingungen, um die liberalisierungsbedingten Kosten zu sparen.

Für die Gewerkschaften ist klar: Ohne GAV-Pflicht für die Post und die Realisierung eines GAV für die gesamte Branche löst die Revision einen nicht annehmbaren Druck auf Löhne und Beschäftigung aus. Hier muss sich das Parlament bewegen. Die Versprechen des Bundesrats vor der Abstimmung über die EU-Personenfreizügigkeit dürfen nicht vergessen gehen.

Ebenso wichtig ist die Versorgungsqualität: Mit dem Verzicht auf das Restmonopol für Briefe unter 50gr ist die Finanzierung der Grundversorgung nicht mehr gewährleistet. Die Erfahrungen im Ausland und Studien zeigen dies unmissverständlich. Wir müssten also eine schlechtere Versorgung mit höheren Preisen bezahlen. Die Vorlage will diesem Risiko mit Abgaben begegnen, also eine teure und bürokratische Gegenmassnahme ins Gesetz schreiben. Einfacher und billiger ist es, das Monopol zu behalten. Es gibt keinen Grund, aus rein ideologischen Gründen eine auch in der EU umstrittene Politik zu übernehmen. Der SGB wird sich jedenfalls vehement dagegen zur Wehr setzen.

Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung nichts von der Liberalisierung hält. Sie ist mit der modern ausgerüsteten Post im heutigen Zustand zufrieden. Die Gewerkschaft Kommunikation hat innert kürzester Zeit 160'000 Petitionsunterschriften gegen Poststellen-Schliessungen gesammelt. Auch die starke Privatisierungstendenz der Vorlage ist keineswegs beliebt. Das erfolgreiche Referendum gegen das Elektrizitätsmarktgesetz 2002 hat gezeigt, dass eine Infrastrukturpolitik gegen das Volk nicht möglich ist. Der Ständerat und nach ihm der Nationalrat sollten dies nicht vergessen.

 

Ebenfalls in der Sessionsvorschau: 11. AHV-Revision und AVIG-Revision.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss
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